Berlin. Markus Lanz hatte „Astro-Alex“ zu Gast. Astronaut Gerst erzählte, warum sie einem Kollegen die Unterhosen im All aufschneiden mussten.

Die größte Sorge im All? Auf den falschen Knopf zu drücken. Die größte Hoffnung: Dass die Unterhosen nicht zu klein sind: Aber bei Lanz hatte Alexander Gerst – oder besser: Astro-Alex – für alles eine Lösung. Keine Lösung gibt es dagegen für Zuschauer, die die Sendung verpasst haben und sich die Folge in der ZDF-Mediathek anschauen wollen. Dort ist die aktuelle Ausgabe noch nicht zu finden. Laut ZDF soll sich das bis Mittag ändern.

Im Gespräch mit Alexander Gerst, er präsentiert am 7. Juni in Erfurt eine große Weltraumshow, hatte es Markus Lanz eigentlich ein wenig anders gewollt. Etwas pathetischer. Etwas hochtrabender. Mehr Sternstunde – und dann dieser Astronaut, der mit den Füßen derart auf dem Boden steht, dass die großen Themen der Menschheit wie Einsamkeit, Demut, Schönheit der Natur ein wenig klein geredet wurden: Für Alexander Gerst ist das, was er auf der ISS gemacht hat, in erster Linie Arbeit.

Alexander Gerst hatte Angst, vor dem Start krank zu werden

Und Arbeit lenkt von Angst ab. Die er eigentlich gar nicht kennt. Es sei denn, er könnte sich in den vielen Kabeln verheddern, die auf so einer Raumstation rumfliegen. Aber dafür hat er geprobt. „Zehntausend Stunden habe ich für meine beiden Missionen trainiert.“

Angst hatte ihm allein gemacht, krank zu werden, bevor es losging. „Man weiß genau, jedes gebrochene Bein kann das Ende sein“, sagt Gerst am Dienstagabend. Mit Fallschirmspringen habe er deshalb vorsichtshalber aufgehört. Man weiß ja nie. Auch mit Skifahren war Schluss. „Das war tatsächlich hart. Ich war dann mit den anderen auf der Hütte. Bisschen Langlauf.“ Mehr nicht. Und Kaiserschmarrn, aber auch nicht ohne Risiko: „Wenn man zu dick ist, nehmen die einen nicht mit.“

Astro-Alex bei Markus Lanz: „Ein Kollege hatte zu kleine Unterhosen dabei“

Das Leben im All hat viel mit Alltag zu tun. Und mit Ärger über die kleinen Dinge. „Ein Kollege hat sich keine Gedanken gemacht und dann im Orbit rausgefunden, dass er zwar genug Unterhosen mitgenommen hatte, aber die alle eine Nummer zu klein waren. Er war dann nicht so gut drauf, aber wir haben ihm geholfen und sie einfach an der Seite aufgeschnitten.“

Alexander Gerst, Astronaut und Kommandant der ISS, salutiert scherzhaft beim Selfie während einer antrengenden Versuchsreihe zur Entwicklung neuer Textilien und Instrumente auf der Internationalen Weltraumstation ISS. Foto: Alexander Gerst/dpa
Alexander Gerst, Astronaut und Kommandant der ISS, salutiert scherzhaft beim Selfie während einer antrengenden Versuchsreihe zur Entwicklung neuer Textilien und Instrumente auf der Internationalen Weltraumstation ISS. Foto: Alexander Gerst/dpa © zgt

Lanz war geradezu geschockt, dass die Jungs ihre Unterhosen nur alle zwei Tage wechseln. Aber es kam noch schlimmer. Dreckige Buxen werden einfach weggeschmissen. „Wie? Aus dem Fenster“, fragt Lanz. „Nein, bei der Müllentsorgung“, sagte Gerst. Beim Abtransport allerdings verglühten sie im Orbit. „Die ein oder andere Sternschnuppe ist also vielleicht gar keine“, spekulierte Lanz.

Manches war putzig. Immer wieder hob Lanz auf Löcher im Kopf ab, weil die Gesundheit der Raumfahrer ja bedroht sei, und es vor allem da zu Löchern im Kopf kommen könnte. Da wurde Gerst mal energisch: „Ich hab keine Löcher im Kopf.“

Eigentlich musste er den Moderator immer ein bisschen stoppen. Wenn es um die Einsamkeit ging zum Beispiel. Lanz stellt sich den Raumfahrer eben – wahrscheinlich wie wir alle, sonst würde Lanz ja nicht so fragen – einsam vor. Aber darüber macht sich einer wie der Gerst gar keinen Kopf. „Mein Kumpel war ja auch noch da“, sagt er, als es darum ging, wie es war, als er angeblich einsam beim Außeneinsatz saß.

Alexander Gerst: „Die größte Sorge ist, etwas kaputt zu machen“

Immer wieder überraschend, was ein Astronaut so an Bord macht. Dass er sich auf Sportgeräten, die er selbst als „Foltergeräte“ bezeichnet, anschnallt, um – klar – nicht herunterzufallen, aber auch, was seine Lieblingsbeschäftigung angeht: „Ich hab mich in die Fenster reingelegt, damit ich die Erde nicht immer auf dem Kopf sehe. Aber dabei muss man aufpassen. Es ist immer meine größte Sorge, dass ich irgendwas kaputt mache.“

Über ein Kabel stolpern zum Beispiel. Aber nicht nur das. „Wenn ich bei der Sojus auf den falschen Knopf drücke, sprenge ich das Ding in drei Teile.“ Allerdings habe er den Notfall jahrelang geprobt. Kann im Grunde gar nix passieren.

Und dann kommen doch verdrießliche Momente. Als er seinen Löffel verlegt hatte, zum Beispiel. Das Ding sei eigentlich an der Wand festgetackert, aber hätte sich dann gelöst und sei durch die Gegend geflogen. Da hätte er nun alles mit seiner Ersatzgabel essen müssen. Das Essen übrigens war gut, sagt er.

Alexander Gerst kurz vor dem Abflug zur ISS. Foto: Dmitri Lovetsky/dpa
Alexander Gerst kurz vor dem Abflug zur ISS. Foto: Dmitri Lovetsky/dpa © zgt

Essen! Ja, essen sei überhaupt das Problem. Nicht nur, dass irgendwann Löffel durch die Gegend fliegen. Es gibt kein Stehen, kein Sitzen. Alles irgendwie ein undefinierbares Herumgeschwebe mit Rührei. Aber man trifft sich trotzdem zum gemeinsamen Eier-Brunch.

Zu viel Platz, um sich zu nerven

Und wie ist das mit so vielen Leuten auf so engem Raum? „Auf die Nerven geht man sich nicht. Dafür ist da oben auch viel zu viel Platz.“

Was man sonst noch erfuhr:

• Der Sport war ausreichend: „Am Tag meiner Landung war ich so fit wie niemals zuvor und wohl auch nie mehr.“

• Das Bett hatte einen Kosenamen: „Die Kabine hieß die Gruft.“ Bei der ersten Mission habe er leider nicht gut geschlafen. „Da war der Schlafsack zu kurz.“

• Die ISS müffelt: „Wenn man von draußen reinkommt, riecht es so ein bisschen wie in der Pariser U-Bahn. Wie nach Bremsscheibe. Und ein bisschen nach Nuss.“

• Es fliegt jede Menge Weltraumschrott herum. „Es gab mehrmals Einschläge im Fenster und Krater in der Außenhülle. Beim Außeneinsatz wäre das fatal. Aber da macht man sich keine Gedanken drüber. Macht sich doch keiner Gedanken, wenn er in den Supermarkt geht, ob ihm da was passiert. Jeder geht im Leben ein Risiko ein.“

• Es lässt sich alles planen: Er denke natürlich schon mal an das Schlimmste, also an ein Unglück. Aber nur vorher. „Wenn das passiert, wenn das passiert, wenn das passiert – diese Gedanken spiel ich im Simulator durch und stelle sicher, dass man das überleben kann.“

• Bloß keine Panik: Als dieses kleine Loch in der Kapselhülle war, aus dem die lebensnotwendige Luft entwich. Ob er da Panik gehabt habe? „Panik, nein, eben nicht.“ Er hat doch alles durchgespielt vorher. Gibt eben immer eine Lösung beim Astro-Alex.

Markus Lanz in der ZDF-Mediathek anschauen

Wer die Folge in der Mediathek anschauen will, konnte dies bislang immer unmittelbar nach der Sendung von Markus Lanz tun. Doch dieses Mal schauen Zuschauer in die Röhre. „Leider kein Video verfügbar“, hieß es zunächst auf der Internetseite des Senders. Inzwischen ist das Video allerdings verfügbar.

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