Erfurt. Um Kindern ein Zuhause zu geben, sucht das Jugendamt ständig nach Menschen, die sich der herausfordernden Aufgabe stellen.

„Geben Sie Kindern ein Zuhause, werden Sie Pflegefamilie!“, ruft das Jugendamt auf. Etwa 130 solcher Familien, die Kindern aus schwierigen familiären Bedingungen ein Zuhause bieten, gibt es derzeit in Erfurt – kurz, mittelfristig oder auf Dauer. Der Bedarf ist weit größer und die Suche nach geeigneten Familien daher eine ständige. Und nicht alle, die sich der verantwortungsvollen Aufgabe stellen wollen, stehen am Ende der umfangreichen Vorbereitungsphase noch zu diesem Angebot.

Silvia Viernickel aus der Fachberatung des Jugendamtes für Pflegekinder und Adoptionswesen weiß: Für die Kinder, die zumeist im Alter von 0 bis 6 Jahren in eine neue Familie vermittelt werden, gibt es nur diese eine Chance. Hoch, aber nicht unüberwindbar, sind daher die Hürden auf dem Weg zu einer solchen Pflegestelle gelegt. „Das Kindeswohl steht für uns schließlich immer im Vordergrund“, sagt sie.

Jugendamt betont: Offen füralle Formen von Familien

Pflegeeltern können verheiratete und unverheiratete Paare werden. Auch gleichgeschlechtliche Paare mit oder ohne eigene Kinder, alleinstehende und alleinerziehende Mütter und Väter können sich bewerben. „Wissen müssen die Pflegeeltern, dass eine Rückkehr in die leibliche Familie nie ausgeschlossen ist“, verweist Sachgebietsleiter Jens Müller auf einen Unterschied zur Adoption. Klar sein muss Pflegeeltern auch, dass Bindung und Kontakte zur Herkunftsfamilie erhalten bleiben, wenn keine dringenden Gründe dagegen sprechen. „Neben einem Umgangsrecht haben die leiblichen Eltern auch ein Mitspracherecht in der Erziehung“, erklärt Jens Müller.

Ziel sei es, eine größtmögliche Normalität für die Pflegekinder zu ermöglichen. Sie sollen eine „korrigierende Bindungserfahrung“ erleben, ein entspanntes, unkompliziertes und wertschätzendes Miteinander kennenlernen. Dabei sind Kompetenzen der Pflegeeltern gefragt: Neben der Liebe zum Kind bedarf es auch eines hohen Durchhaltevermögens, brauche es Offenheit und Toleranz. Nicht zu vergessen die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Pflegeelterndienst des Jugendamtes und der Herkunftsfamilie, möglichst in einer „Erziehungspartnerschaft“, die auf Augenhöhe zwischen den leiblichen und den Pflege-Eltern passiert.

Bis es soweit ist, läuft ein langerProzess zur Vorbereitung ab

Silvia Viernickel lädt Interessenten zu einer individuellen Erstberatung ein. Hier werden die Beweggründe der Bewerber hinterfragt. Daran schließen sich Vorbereitungsseminare an, die bereits einen Austausch mit aktiven Pflegeeltern bieten. „Es geht darum, ein Bewerberprofil zu entwickeln“, sagt Silvia Viernickel, herauszufinden, zu welchem Kind die Familie am besten passt. Anhand von Fallbeispielen werden die Bewerber über mögliche Risiken informiert. Auch darüber, welche Folgen möglich sind, wenn die Pflegekinder in ihren neuen Familien auf deren leibliche Kinder treffen, wenn es besonderen Förderbedarf gibt oder gesundheitliche Probleme. Oder die Kindesmutter in der Schwangerschaft Drogen oder Alkohol zu sich genommen hat. „In diesen Prozess der Vorbereitung stecken wir viel Arbeit“, sagt die Fachberaterin. Etwa ein Fünftel der potenziellen Pflegefamilien gingen auf diesem Weg als Interessenten verloren.

Gegeben wird ein Pflegekind nur in geordnete finanzielle und familiäre Verhältnisse. Schufa-Auskunft und ein erweitertes Führungszeugnis müssen vorgelegt werden. Klassisch rekrutierten sich Pflegeeltern aus solchen Familien, deren eigene Kinder aus dem Haus sind, ein Elternteil ohne Arbeit zu Hause bleiben und so genug Zeit aufbringen könne. Heute, so Jens Müller, habe sich das geändert: „Die Sehnsucht, eine Familie mit einem Pflegekind zu vervollständigen, ist oft der Hauptgrund.“ Oft liege eine pädagogische Vorbildung vor, manchmal gehe es um die Übernahme sozialer Verantwortung. Für materielle Leistungen, für Essen, Miete und Schulmaterial bekommen Pflegeeltern zwischen 500 und 700 Euro monatlich, je nach Alter des Kindes. 195 Euro kommen dazu für Erziehungsleistungen der Pflegeeltern und anteilig das Kindergeld.

Neben dieser eher ideellen Unterstützung gibt es vor allem Hilfe in ständiger Begleitung durch ein zehnköpfiges Team im Jugendamt und durch das Angebot der Supervision. „Die Aufnahme eines Pflegekindes muss ins Lebenskonzept der neuen Familie passen“, sagt Müller. Fest stehen müsse auch: Ein Ersatz für ein leibliches Kind könnten die Pflegekinder niemals sein.

Informationen zum Thema gibt es unter Tel. 0361 / 6 55 47 04, per E-Mail an Pfad@erfurt.de oder im Jugendamt in der Lüneburger Straße 3.