Nordhausen. Nur eine Gentherapie könnte die seltene Stoffwechselkrankheit des Fünfjährigen besiegen. Dafür initiierten einige Südharzer jetzt eine Spendenaktion.

Ihr Leben steht Kopf. Es ist kein halbes Jahr her, da bekamen Jeanine und Marcel Bergmann die Diagnose: GM1-Gangliosidose. Eine genetisch bedingte Stoffwechselkrankheit, die ihren Sohn Leopold (5) nur zehn, vielleicht 20 Jahre alt werden lässt.

„Ein Enzym fehlt, das die Zuckerabfallprodukte aus den Zellen abtransportiert. So müllen die Zellen quasi zu, sterben ab, ganze Körpersysteme fallen aus“, fasst Leopolds Mutter die Krankheit in einfache Worte, die vor allem das zentrale Nervensystem und das Gehirn angreift und irreversible Schäden hinterlässt. Kein Arzt könne sagen, welches Körpersystem als erstes ausfällt, meint die Nordhäuserin. Manche erblinden, werden taub, Muskeln schwinden, auch die zur Atmung und der Herzmuskel.

„Wir denken nur bis nächstes Jahr und nicht daran, dass Leopold im Rollstuhl sitzen könnte.“ Aus solchen Sätzen der Mutter ist eine tiefe Verzweiflung zu hören – aber auch der Wille nicht aufzugeben. Auf ihrem Schoß sitzt ein Junge, der es liebt, mit dem Laufrad zu flitzen, mit seiner Schwester Martha (10) Playmobil zu spielen oder gemeinsam auf dem Holzpferd zu reiten. Ein Junge, der glücklich sein kann wie andere auch.

Suche nach Ursache der Entwicklungsstörung dauern Jahre

Er war ein Baby, wenige Wochen alt, da meinten die Eltern, das Schlimmste sei vorüber. Hinter Jeanine Bergmann lagen Blutungen in der 30. Schwangerschaftswoche, acht Wochen später ein Notkaiserschnitt. Zehn Tage musste der Kleine wegen einer Infektion auf der Neugeborenen-Intensivstation bleiben. Doch schließlich trank er doch Muttermilch, sein Zustand stabilisierte sich, er durfte nach Hause.

Im ersten Jahr entwickelt er sich altersgerecht. In der Krippe aber fallen motorische Entwicklungsverzögerungen auf. „Leopold lief und hüpfte weniger geschickt, war wackeliger und unsicherer“, erzählt die Mutter, die seit 18 Jahren als Kindergärtnerin arbeitet.

Auch Kinderturnen und Physiotherapie ändern nichts an Leopolds geringerer Körperspannung, an der mitunter schlaffen Gesichtsmuskulatur, die seine Worte oft verwaschen klingen lässt. Logopädie und Ergotherapie kommen hinzu. Die Suche nach der Ursache an der Universität Göttingen dauert Jahre.

Seit Juli haben die Eltern Gewissheit. „Wir tasten uns nun Schritt für Schritt durch die Katastrophe.“ Der Schwerbehindertenausweis und die Pflegestufe sind beantragt, fast täglich steht eine Therapie an: Karate hilft beim Muskelaufbau. Der Blockflötenunterricht soll die Atmung stärken. Beim Reiten übt Leopold die Balance, festigt Bewegungsabläufe im Kopf.

Ihr Arzt in Göttingen, erzählt die Mutter, habe gesagt, vor einem Jahr noch hätte er ihnen geraten, schöne Fotos zu machen. Zur Erinnerung. Weil die Krankheit nicht zu stoppen sei. Inzwischen aber gibt es einen Hoffnungsschimmer: eine Gentherapie am National Institute of Health im US-Bundesstaat Maryland.

Die Enzymaktivität soll bei der Therapie angeregt und weitere Ablagerungen in den Zellen verhindert werden. 45 Kinder sollen an der Therapiestudie des Pharmakonzerns Axovant teilnehmen können. Leopold ist angemeldet.

Spenden werden benötigt, um Zusatzkosten für Familie zu begleichen

Die Therapie selbst ist kostenfrei. Und doch braucht die Familie rund 150.000 Euro, um ihrem Sohn die einzige Chance auf Leben zu geben. Die Behandlung kann acht Monate oder mehr dauern. Denn sie erfordert ein Absenken des Immunsystems – die Kinder sind also in höchstem Maß infektionsgefährdet, dürfen den Klinik-Campus nicht verlassen. Die Familie ist wichtig vor Ort – während der Behandlung und für die Genesung.

Jeanine, die Kindergärtnerin, und Marcel, der Zerspanungsmechaniker, hätten während ihres Aufenthalts in den USA einen Verdienstausfall bei gleichzeitigen Zusatzkosten für Flüge, Unterkunft und Homeschooling für Martha zu stemmen.

Ohne Spenden geht das nicht, sind die beiden Freunden, Familienmitgliedern und Kollegen dankbar, die die Initiative „Leopold wird gesund“ starteten. „Im September 2021 würde die Therapie-Studie beginnen“, hofft Kathrin Materlik auf kleine und große finanzielle Gesten der Südharzer.

Der Evangelischer Kirchenkreis Südharz hat ein Spendenkonto bei der Kreissparkasse Nordhausen eingerichtet: IBAN: DE09 8205 4052 0030 0201 40, Swift: HELADEF1NOR, Verwendungszweck: LEOPOLD. Wer eine Spendenquittung braucht, sollte unbedingt seine vollständige Adresse angeben.