Sondershausen. Bei der Beseitigung von Forstschäden setzt Thüringen auf ungewöhnliche Methoden. Superharvester „Raptor“ ist derzeit im Dauereinsatz.

Zur Bewältigung der landesweiten Dürrewaldkrise fährt Thüringen jetzt die schwersten Geschütze auf. Deutschlands stärkster und mit 70 Tonnen größter Superharvester „Raptor“ ist vor wenigen Tagen aus dem Allgäu eingetroffen und im Forstamt Sondershausen seither im Dauereinsatz. Das Kettenfahrzeug greift und sägt ausschließlich vertrocknete tote Buchen aus dem Wald, die so mächtig sind, dass ein normaler Fichten-Harvester den Halt verlöre und vom Gewicht des Baumes mitgerissen würde.

Mindestens 10.000 Festmeter Buchenholz soll der Raptor in den nächsten Wochen umlegen, sagt Uli Klüßendorf, Leiter des Forstamts Sondershausen. 150 bis 250 Festmeter Buche schafft der Raptor am Tag. Das sind etwa 50 bis 80 Bäume, erklärt Raptor-Fahrer Sebastian Hipp. Die Alternative zum Einsatz der Maschine wäre, so Klüßendorf, eine jahrelange Waldsperrung.

Harvester im Forstamt Sondershausen im Einsatz

weitere Videos

    Baumfällmaschine „Raptor“ bewältigt schwierige Baumfällungen in Thüringen

    Im Süden des Landes, im Landkreis Hildburghausen, soll jetzt die Bundeswehr Bäume wegsprengen. Den Amtshilfeantrag habe das Forstamt Schönbrunn Anfang dieser Woche gestellt, sagte eine Sprecherin des Landeskommandos der Bundeswehr in Erfurt. „Es geht um circa 30 abgestorbene Buchen und Fichten in einer Steilhanglage, die gesprengt werden sollen.“ Das Panzerpionierbataillon 701 aus Gera hat die Lage bereits sondiert. Eine Entscheidung steht aber noch aus. Momentan werde der Antrag vom Kommando territoriale Aufgaben in Berlin geprüft. Die Sprengaktion würde zwei Tage dauern.

    CDU-Chef Mike Mohring fordert seit Wochen den Noteinsatz von Bundeswehrsoldaten, um die Probleme halbwegs in den Griff zu bekommen, die bald noch größer werden. Denn in wenigen Tagen wird die dritte Generation von Borkenkäfern ausschwärmen. Wahrscheinlich wird die aktuelle Schadensschätzung danach übertroffen.

    Bisher, sagte Thüringenforst-Chef Volker Gebhardt unserer Zeitung, sei von fünf bis sechs Millionen toter Fichten und mindestens einer halben Million verdörrter Buchen in diesem Jahr auszugehen. Aber diese Prognose datiert von Ende Juli – vor der zu erwartenden Käfermasseninvasion im September.

    Die Landesregierung hat einen „Aktionsplan Wald 2030“ verabschiedet, der eine Zehnjahresinvestition von 500 Millionen Euro vorsieht, um unter anderem 200 Millionen Bäume zu pflanzen. Aber die Probleme liegen im Detail. Künftig müssten Jahr für Jahr 20 Millionen Bäume gepflanzt werden. Der Jahrespflanzrekord in Thüringen liegt bei 1,2 Millionen Bäumen.

    Die staatlichen Pflanzflächen werden für ein Projekt dieser Größenordnung kaum ausreichen. Überhaupt ist unklar, woher das Saatgut für Abermillionen Bäume kommen soll.

    Das Hauptproblem: Ein Reh kann in wenigen Stunden Aufforstungsbemühungen von Jahren zerstören. Bei Thüringenforst will man deshalb möglichst viele schießen. „Es kann doch nicht sein, dass wir das Wild für eine verfehlte Forstpolitik verantwortlich machen“, kritisiert der Geschäftsführer des Landesjagdverbands, Frank Herrmann. „Der Wald ist kein Industriebetrieb.“

    Hintergrund: Halbe Bäume ohne Krone für besseren Artenschutz

    Der Leiter des Forstamtes Sondershausen, Uli Klüßendorf, hält die Sprengung toter Bäume im Einzelfall für sinnvoll. „Die Idee ist für extrem steile Lagen bekannt, die aus der Nutzung genommen werden müssen.“ Im Harz sei diese Methode erfolgreich praktiziert worden, auch um zu verhindern, dass vertrocknete Baumriesen eines Tages unkontrolliert auf die Straße krachen. „Vielleicht könnte man auch nur die Krone sprengen. Dann hätte man Totholz, das ein wertvolles Biotop für den Artenschutz sein kann“, regt Klüßendorf an. Für sein Forstamt hätte er andere Pläne. „Ich brauche eher Rehe jagende Soldaten.“