Erfurt. Stadtplanungsamtsleiter Paul Börsch nennt Erfurter Baulandmodell ein Werkzeug dafür. Nachfrage im mittleren Preissegment weit höher als das Angebot

Natürlich sei die Situation in Erfurt weit von der Dramatik entfernt, wie sie in München, Frankfurt, Stuttgart oder Berlin vorherrsche – je nach Segment und Preisklasse der Wohnung allerdings sei auch in Erfurt die Lage angespannt, teils sogar als dramatisch einzuschätzen. Stadtplanungsamtsleiter Paul Börsch stellt in Bezug auf den Erfurter Wohnungsmarkt klar, dass dieser nur in Teilen, keinesfalls aber in Summe mit dem Etikett „entspannt“ versehen werden könne und liefert die differenzierte Begründung dazu gleich mit. Generell sei „bezahlbarer Wohnraum“ keine „quantifizierbare Größe“ sondern sehr individuell zu sehen.

Besonders im mittleren Preissegment gebe es deutlich mehr Bedarf als der Wohnungsmarkt in Erfurt derzeit hergebe: Bei Mieten von 5,50 bis 8 Euro, die in Erfurt im Altbestand aufgerufen werden und die allgemein als „bezahlbar“ bezeichnet werden, sei die Nachfrage immens. Möglichkeiten der Stadt aber, hier steuernd in den Markt einzugreifen, gebe es nicht. „Wir können nur für insgesamt mehr Wohnraum sorgen, um den Markt zu entlasten“, so Börsch. Tendenziell werde auch dieser oft teilsanierte Wohnraum weniger werden, weil Private kräftig investieren.

Im untersten Segment von 4 bis 5,50 Nettomiete kalt ist laut Stadtplanungsamtschef Börsch gerade noch Wohnraum vorhanden. Allerdings mit der Betonung auf „noch“. Denn Verträge zu belegungsgebundenem Wohnraum liefen vermehrt aus, Mietpreisbindungen gingen verloren. „Damit es preiswerten Wohnraum auch in Zukunft ausreichend gibt, haben wir das Baulandmodell geschaffen“, sagt Börsch:

Aufspaltung in Arm und Reich entgegenwirken

Bei Neubauten werden Investoren damit verpflichtet, einen 20-prozentigen Teil der neuen Wohnungen mietpreis- und belegungsgebunden an den Markt zu bringen.

Auf diese Weise soll einer sich abzeichnenden Verknappung in diesem Segment entgegen gewirkt werden.

Regulierend wirken soll dies auch auf ein weiteres Problem: der aktuellen Konzentration von sehr preiswerten Wohnungen in den Großwohnsiedlungen und bei der Kowo, was soziale Probleme mitzubringen droht. „Der Handlungsdruck ist hoch“, sagt Börsch. Allein die Kowo schultere dieses Problem derzeit, auch weniger einkommensstarken Familien Wohnraum anzubieten – mit merklichen Segregationstendenzen, also einer Aufspaltung in Arm und Reich.

Für das Segment 9,50 und darüber – eine Miete, für die sich Neubauten für Investoren erst rechneten – sei in Erfurt ebenfalls Nachfrage da, die aber gut bedient werden könne, so Börsch.

Diesen und weiteren Fragen rund um das Thema Wohnen, zu bezahlbarem Wohnraum oder drohender Wohnungsnot will das 23. Erfurter Zukunftsforum nachgehen am Donnerstag, 20. Juni. Mit Paul Börsch diskutieren dann Frank Emrich, Vorstand des Verbandes der Thüringer Wohnungswirtschaft, Tobias Schallert, Geschäftsführer der Tempus Immobilien & Projekt GmbH, sowie Uwe Flurschütz vom Bündnis „Erfurt für alle“, moderiert von Frank Karmeyer.

Donnerstag, 20. Juni, 19.30 Uhr, Mercure Hotel, Meienbergstraße 26/27.