Erfurt. Im Lockdown ist die Nachfrage nach Vierbeinern aus Tierheimen gestiegen. Betreiber befürchten aber unangenehme Folgen des Booms.

Viele Tierheime in Thüringen verzeichnen ein deutlich erhöhtes Interesse an der Adoption eines Haustiers. «Wir haben sehr viele Anfragen nach Hunden und Katzen, weil die Menschen der Meinung sind, mehr Zeit zu haben», erklärt Kerstin Räditz vom Tierheim in Erfurt. «Trotzdem muss eine solche Anschaffung wohlüberlegt sein.» Da die Anforderungen an neue Halter genauso hoch seien wie vor der Corona-Krise, seien die Vermittlungszahlen trotz der hohen Nachfrage auf dem üblichen Niveau. Auch bei den Tierheimen in Jena, Nordhausen und Altenburg ist die Lage ähnlich.

Die Ausnahmesituation eines Lockdowns könne nach der Rückkehr in den Alltag schnell zu Problemen führen, so Räditz: Besonders Hunde als Rudeltiere gewöhnten sich in Zeiten von Lockdown, Kurzarbeit und vermehrtem Homeoffice an die ständige Anwesenheit ihres Herrchens und lernten nicht, längere Zeit alleine zu sein. «Besonders bei neu angeschafften Hunden kann das zu einem großen Problem werden und zu zerstörten Möbeln, Unsauberkeit und Ärger mit den Nachbarn führen.» Auch das Tier könne unter dem plötzlichen Alleinsein leiden.

Hunde von Anfang an zwei Stunden alleine lassen

«Ein Hund sollte deshalb von Anfang an jeden Tag ein bis zwei Stunden alleine gelassen werden, damit er sich daran gewöhnen kann», erklärt die Leiterin des Tierheims Nordhausen, Jennifer Schenk. Aufgrund der hohen Nachfrage stünden dort aktuell nur zwei Katzen und drei Hunde zur Vermittlung - zu normalen Zeiten würden im Schnitt 17 Hunde betreut. «Unter den aktuellen Umständen trauen es sich viele Menschen zu, die Antwort für ein neues Haustier zu übernehmen. Wenn die normale Arbeit wieder anfängt, kann das aber ganz anders aussehen.»

Die Tierheime machten sich deshalb in der Regel ein genaues Bild über die Lebensumstände der künftigen Tierhalter. Anders sei das aber vor allem bei im Ausland erworbenen Hunden, weil viele Züchter die einmal verkauften Hunde nicht zurücknähmen. Dann bleibe oft nur die Abgabe ins Tierheim.

Derzeit werden sowohl in Erfurt als auch in Nordhausen, Altenburg, Jena und Eisenach teils deutlich weniger Katzen, Hunde und Kleintiere eingeliefert als in den Zeiten vor der Pandemie. Das könnte sich aber schnell ändern: «Wir rechnen mit erhöhten Tierabgabezahlen nach der Corona-Krise», sagt Sophia Bigalk vom Tierheim in Jena.

Besucher kam ins Tierheim als Zoo-Alternative

Auch das Tierheim in Nordhausen befürchtet dann eine Abgabe-Welle. Dort hat der Teil-Lockdown gegen Ende des vergangenen Jahres indes besonders unschöne Blüten getrieben: «Als Zoos und Tierparks geschlossen waren und nicht viele Unternehmungen möglich waren, nutzten manche den Besuch im Tierheim als Ersatz», berichtet Jennifer Schenk. Sowohl für Personal als auch für die Tiere seien solche nicht ernst gemeinten Besuche eine unnötige Belastung. Erst die erzwungene Schließung habe den Tierheim-Tourismus beendet.

Grundsätzlich führt der erneute Lockdown fast in allen Tierheimen in Thüringen aber zu deutlichen finanziellen Einbußen: Im vergangenen Jahr mussten fast alle Veranstaltungen abgesagt werden, die den Tierheimen sonst im Jahresverlauf Einnahmen bescheren. «Das macht sich schon sehr bemerkbar», erklärt Schenk. Während in Eisenach das Spendenaufkommen in der Krise merklich gesunken sei, ist die Zahl vor allem von Sachspenden in Erfurt, Jena, Altenburg und Nordhausen auf dem üblichen Niveau oder sogar höher. «Das freut uns natürlich sehr», sagt Schenk. Nur mit Sachspenden könnten allerdings weder Tierarztkosten noch Umbauarbeiten bezahlt werden.

Dennoch sei es schön zu sehen, dass auch in der Krise die Arbeit der Tierheime nicht vergessen werde, ergänzt Horst Otto Gerd Fischer vom Tierheim in Eisenach. «Wir sind dankbar für jede Spende, die uns erreicht: Jeder Cent und jede Futterspende hilft.»