Greiz. Der Thüringer Astronaut Ulf Merbold kommt zur Raumfahrtshow am 7. Juni nach Erfurt und zwei Wochen später zur Zeugnisübergabe für die Abiturienten nach Greiz.

Kürzlich ist Ulf Merbold wieder in Thüringen gewesen: in Ilmenau, als er Verwandtschaft besucht hat. Weitere Touren in den Freistaat hat der mit seiner Frau in Stuttgart lebende Astronaut schon eingeplant. Und geduldig wird er dann erneut die ständig wiederkehrenden Fragen zu seinen drei Weltraummissionen beantworten. Ulf Merbold hat viel zu erzählen, insgesamt 50 Tage war er im All, als einziger Deutscher dreimal.

Am Freitag, 21. Juni, weilt der nun 78-Jährige in seiner Geburtsstadt Greiz, um dort traditionell an der ehemaligen Theo-Neubauer-Schule, die jetzt als Gymnasium seinen Namen trägt, die Zeugnisse an die Abiturienten zu verteilen. Zwei Wochen zuvor, am 7. Juni, ist er mit dem Astronautenkollegen Alexander Gerst in Erfurt zu Gast, wo im Steigerwaldstadion die Premiere der deutschlandweiten Raumfahrtshow stattfindet. 15.000 Kinder aus mehr als 200 Thüringer Schulen werden sich am Vormittag zwei Stunden lang in eine fremde Welt entführen lassen, der abendliche Zauber ist für die Erwachsenen vorgesehen.

Der deutsche Astronaut Ulf Merbold in seinem Raumanzug im Gagarin-Trainingslager in der Nähe von Moskau, aufgenommen im August 1994. Archiv-Foto: Tass/dpa
Der deutsche Astronaut Ulf Merbold in seinem Raumanzug im Gagarin-Trainingslager in der Nähe von Moskau, aufgenommen im August 1994. Archiv-Foto: Tass/dpa © zgt

Ulf Merbold kommt weiter gern nach Thüringen – er spricht immer noch von „Heimat“. In Greiz wird er weiterhin problemlos auf der Straße erkannt, die Menschen grüßen ihn, verwickeln ihn oft in ein kurzes Gespräch. Egal, ob Jung oder Alt, sie mögen ihn und sind stolz auf ihren bescheidenen Himmelsstürmer. In Erfurt ist der Erkennungswert verständlicherweise deutlich geringer, dorthin zieht es Ulf Merbold, „weil die Stadt so wunderschön geworden ist und ich väterlicherseits weitläufige Verwandtschaft habe“.

Von 1983 bis 1994 dreimal im Weltraum

Der Vater war während des Zweiten Weltkrieges eingezogen worden. Nach seiner Rückkehr aus amerikanischer Gefangenschaft wurde er ohne Begründung von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und in das Speziallager Buchenwald gebracht, wo er drei Jahre später an den Folgen der Ruhr verstarb.

Der Verlust, die erschreckende Art, wie dieser zustande kam, beeinflusste die politische Einstellung von Ulf Merbold. Er wurde kein Mitglied in der FDJ, was wiederum dazu führte, dass er nicht Physik studieren durfte. Aber das war sein Herzenswunsch. „Ich wollte wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Er musste sich entscheiden: auf das Studium verzichten oder sich den politischen Gegebenheiten anpassen. Er entschloss sich 1960 dazu, die DDR über die noch offene Grenze zu verlassen.

Ulf Merbold wurde nach seinem Studium ein höchst erfolgreicher Wissenschaftler und durfte dreimal in den Weltraum. 1983 flog er mit dem europäischen Raumlabor Spacelab als erster Ausländer überhaupt, 1992 mit der US-Raumfähre Discovery und 1994 mit der russischen Sojus TM-20.

Obwohl Ulf Merbold 2004 in den Ruhestand trat, arbeitet er immer noch als Berater für die Europäische Weltraumorganisation (Esa) und hat dadurch auch regelmäßigen Kontakt zu Alexander Gerst. Den traf er kürzlich eher zufällig in Köln, als er am 3. Mai mit Schülern des Greizer Gymnasiums das Zentrum für Luft- und Raumfahrt besuchte. Beide schüttelten sich herzlich die Hand – Astro-Alex hatte an diesem Tag seinen 43. Geburtstag.

Der niederländische Raumfahrer Wubbo Johannes Ockels und Ulf Merbold (rechts) 1983 beim Training im Kennedy- Space-Center in Cape Canaveralal Archiv-Foto: imago/Sommer
Der niederländische Raumfahrer Wubbo Johannes Ockels und Ulf Merbold (rechts) 1983 beim Training im Kennedy- Space-Center in Cape Canaveralal Archiv-Foto: imago/Sommer © zgt

Wie dieser setzt sich Ulf Merbold unverdrossen für das Wohl der Raumfahrt ein, für die kulturellen Errungenschaften, die sie mit sich bringt. „Eine Gesellschaft, die das Geld lediglich nutzt, um daraus noch mehr zu machen, begeht einen kapitalen Fehler.“ Man bürde der Erde immer höhere Lasten auf. „Gletscher und Wälder verschwinden, wir können und müssen Belastungsgrenzen für die Natur festlegen“, fordert der Vater von zwei Kindern. Er gesteht, durchaus Sehnsucht nach dem Weltall zu haben. „Wenn es eine gute Fee gäbe und ich mir etwas wünschen dürfe, dann würde ich natürlich noch mal Lebenszeit dafür investieren.“

Wenn Ulf Merbold von seinen Missionen berichtet, kommt er ins Schwärmen. „Es ist grandios, die blaue Erde vor dem schwarzen Hintergrund in 300 Kilometer Entfernung zu umkreisen. Die Sonne leuchtet aus tiefster Finsternis, Meer, Küsten und große Gebirge kann man wahrnehmen – ein Wunder.“ Leider könne man das Raumschiff nicht anhalten, „es fliegt 8 Kilometer in einer Sekunde, Deutschland wird also in einer Minute überflogen“. Wie verletzbar und wie klein diese Erde ist, sei dabei „ein Aha-Erlebnis, das zugleich sehr nachdenklich macht“.

Nach kurzer Pause sagt er auch: „Wir dürfen nicht denken, dass sie und wir das Maß aller Dinge sind.“ Die Erde sei etwa fünf Milliarden Jahre alt, menschliche Wesen, die dort erstmals schöpferisch tätig waren, hätten vor rund 40.000 Jahren gelebt. „Auf dieser langen Zeitachse betrachtet ist das doch gar nichts. Das ist wie ein Blitzlicht.“

Kritik an egozentrischer Sicht von Erdenbürgern

Und auf die Frage, ob er an Leben im All glaube, antwortet Ulf Merbold mit „Ja“. Auch wenn dieses „nicht unbedingt vergleichbar mit dem auf unserer Erde“ sein muss. Es wäre jedenfalls „ein unerhörtes Maß an Ignoranz, wenn wir davon ausgehen, dass nur die Erde dieses Alleinstellungsmerkmal hat“. Ulf Merbold begründet dies auch: „Allein in der Milchstraße existieren 100 Milliarden Sonnen also Sterne, dazu existieren Milliarden von Galaxien. Deshalb dürfte die Wahrscheinlichkeit sehr groß sein, dass es auch anderswo Leben gibt.“

November 1983 im Spacelab, einem Weltraum-Labor, das an Bord des Space Shuttles „Columbia“ ins All flog. Ulf Merbold ist im Vordergrund zu sehen. Foto: Nasa/dpa
November 1983 im Spacelab, einem Weltraum-Labor, das an Bord des Space Shuttles „Columbia“ ins All flog. Ulf Merbold ist im Vordergrund zu sehen. Foto: Nasa/dpa © zgt

Er berichtet, dass erst kürzlich mehr als 4000 Exoplaneten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt wurden. Vieles in der Forschung und Wissenschaft sei diesbezüglich „ja erst am Anfang“. Einmal im Redefluss, sagt Ulf Merbold auch: „Wir tun jedenfalls gut daran, bescheidender zu sein, vom hohen Ross runterzusteigen und nicht so zu tun, dass wir in der Unendlichkeit die einzigen Lebewesen sind.“ Er halte eine egozentrische Sicht von uns Erdenbürgern für falsch. „Es steht uns gut an, davon auszugehen, dass an einem anderen Ort ähnliche Entwicklungen wie bei uns stattgefunden haben.“

Sollte es Planeten geben, auf denen Temperaturen wie auf der Erde sind und auch noch Wasser existiert, wären wichtige Grundlagen für ähnliches Leben wie bei uns ja vorhanden. Als Physiker muss er aber auch sagen: „Wir werden vorerst nicht dahin gelangen, weil wir nie die Lichtgeschwindigkeit erreichen werden. Das Licht von den näher gelegenen Sternen ist vier Jahre unterwegs, bei anderen beträgt die Entfernung über 1000 Lichtjahre.“

Über An-, Ein- und Aussichten wird Ulf Merbold demnächst wieder in Thüringen erzählen. Und jeder, der ihm zuhört, wird feststellen: Die Zeit vergeht manchmal wirklich wie im Flug.

Tickets für Weltraumshow

  • Die Weltraumshow am Freitag, 7. Juni, in der Erfurter Arena wird auf zwei Veranstaltungen verteilt. Der Vormittag (10 bis 12 Uhr) ist Thüringer Schulklassen vorbehalten, er ist bereits ausgebucht.
  • Für die Abend-Show von 18 bis 20 Uhr, in der sich dann die Erwachsenen für 13 Euro verzaubern lassen können, gibt es dagegen noch Eintrittskarten.
  • Wie Winfried Wehrstedt vom organisierenden Förderverein Spiel- und Freizeitplätze der Generationen sowie Volker Kratzenberg-Annies vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt mitteilen, soll die Show 50 Jahre nach der Apollo-Mondlandung unter dem Titel „Gedankenreise zum Mond“ laufen. Es seien unter anderem Videos, Experimente und auch mehrere Mitmach-Aktionen geplant.
  • Karten zum Preis von 13 Euro (freier Eintritt für ein Kind in Begleitung eines Erwachsenen) gibt es in allen TA-Pressehäusern und beim Ticketshop Thüringen, Tel. 0361/227 5227, www.ticketshop-thueringen.de

Ulf Merbold im Interview: „Die Sonne leuchtet aus tiefer Finsternis“