Hanno Müller über das Gedenken unter neuen Vorzeichen.

Es ist nur eine kleine Gruppe von Überlebenden des Holocaust, die gestern beim Gedenken in Thüringen dabei sein kann. Jene, die die Verbrechen aus eigenem Erleben bezeugen, werden immer weniger. Umso wichtiger ist der uneingeschränkte und aufrichtige Respekt. Am gestrigen Gedenktag gilt er den ermordeten Juden Europas ebenso wie den Sinti und Roma, den Zeugen Jehovas, den Millionen Verschleppten, den Zwangsarbeitern und politischen Gefangenen, den Homosexuellen, Kranken und Menschen mit Behinderungen, über die Deutsche und ihre Helfershelfer im Nationalsozialismus Leid und Tod brachten.

Da ist es konsequent, dass Vertreter der AfD bei der Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Buchenwald einmal mehr unerwünscht sind. Was ursprünglich für den Thüringer Parteichef Björn Höcke wegen dessen Dresdner Schandrede von 2017 galt, schließt inzwischen seine Parteikollegen ein. Begründet wird es mit der Einstellung des Parteiausschlussverfahrens gegen Höcke und fehlendem Widerspruch zu dessen diffamierenden Positionen in Sachen Erinnerungskultur.

„Ich höre den Ton und weiß, dass das im Krematorium endet“

Zudem entspricht der Ausschluss vom Gedenken den Empfindungen der Überlebenden. Bertrand Herz, Ehrenpräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos, sagte seinerzeit: „Wir wehren uns gegen das Erscheinen von Verharmlosern beim Gedenken an der Stätte unseres Martyriums.“

Thüringer AfD-Vertreter haben nicht generell Hausverbot, so ein Gedenkstätten-Sprecher gestern. An anderen Tagen dürften sie beim Besuch der Ausstellungen begreifen, welche Konsequenzen Ausgrenzung und Herabwürdigung haben. Die Verbrechen mahnen die Nachgeborenen, aus der Geschichte zu lernen. Die 95-jährige Eva
Pusztai Fahidi, die durch die Hölle von Auschwitz ging, sagte kürzlich, sie befürchte, dass sich der Holocaust wiederholen werde.

Dass Überlebenden inzwischen immer häufiger solche Ängste und Zweifel kommen, ist ein Alarmzeichen.