Christian Albrecht über Schach aus dem Gewehrlauf.

Man lernt ja auch als Sportredakteur stetig dazu. Eine ganz besondere Form des Schachs habe ich kürzlich gesehen, da konnten selbst meine Augen nicht mehr folgen, geschweige denn die Gehirnwindungen.

Blitzschach kannte ich bisher. Normalerweise gibt es dort eine Bedenkzeit von fünf Minuten pro Partie, was mir als Laien schon wenig vorkommt. Doch dann fiel auf einem Streaming-Kanal bei Twitch der Begriff Bullet-Schach. Bullet, auf deutsch Kugel, was die aus einer Waffe meint, sagt eigentlich schon alles. Lediglich eine Minute Bedenkzeit hatten beide Akteure.

Gesehen hab ich das bei Jan Gustafsson, der sich im Laufe des vergangenen Jahres gerade im Netz immer größerer Bekanntheit und Beliebtheit erfreut. Der gebürtige Hamburger ist deutscher Großmeister, kommentiert Duelle von Profis etwa auf chess24.com und hat auf seinem eigenen Twitch-Kanal regelmäßig mehr als 1000 Zuschauer. Die mögen seine außergewöhnlichen „Macken“, seine Leidenschaft für Kaffee, Wortspiele, Trash-TV und den dazu passenden Podcast „Erdbeerkäse“, bei dem er selbst mit dabei ist. Hinzu kommt seine humorvolle Art, mit der er es schafft, seine Zuschauer zu begeistern.

Die besagte Disziplin Bullet-Schach mutiert derweil fast schon zum E-Sport. Nach einer verlorenen Partie bemerkte Gustafsson, dass er mit seiner zehn Jahre alten Maus einfach zu langsam sei und fragte nach Tipps. Die Zuschauer warfen daraufhin – so ist es auf Twitch üblich – bereitwillig Empfehlungen in den Chat.

Ich blicke ein wenig neidisch auf die Schachspieler:innen dieser Welt, die ihrer Sportart im Netz problemlos nachgehen können. Als Handballer ist mein letztes Training mehr als fünf Monate her, ungewiss bleibt, wie viele Wochen oder Monate ich noch warten muss, bis der Ball wieder aufs Tor fliegen kann.