Dr. Thomas Kohl, Chefarzt der Klinik für Thorax- und Gefäßchirurgie der Zentralklinik Bad Berka, über therapeutische Möglichkeiten bei verengten Gefäßen, den Faktor Zeit beim Schlaganfall, Risiko und Nutzen von Operationen und Genuss im Sinne der Blutgefäße.

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Jährlich erleiden rund 300.000 Menschen einen Schlaganfall, könnten alle verhindert werden?

Das wäre wünschenswert, aber leider können wir das nicht. Jedoch gibt es Möglichkeiten, wie wir die Schlaganfallhäufigkeit und auch dessen Folgen reduzieren können. Zum einen ist es wichtig potentielle Patienten so weit zu sensibilisieren, dass sie oder ihre Angehörigen die Anzeichen eines drohenden Schlaganfalls erkennen und schnell Hilfe holen. Weiterhin sollten wir Patienten mit Durchblutungsstörungen am Herzen oder an den Beinen so weit untersuchen, dass wir Ursachen und Risikofaktoren für möglichen Apoplex erkennen und behandeln, bevor dieser entsteht. Und nicht zuletzt ist es durch die stark verbesserte und zeitnahe medizinische Versorgung möglich, dass die oft dramatischen Folgen eines Schlaganfalls bei guter und rechtszeitiger Behandlung weniger schwerwiegend oder völlig vermeidbar sind. Wie sagt man heute so schön: Time is brain, d.h. je früher der Patient von einem interdisziplinären Team in einer spezialisierten Schlaganfalleinheit, einer sogenannten „Stroke unit“ behandelt wird, desto besser kann man Langzeitfolgen verhindern.

Wenn man von Schlaganfällen hört, denkt man an Menschen jenseits der 70 und nicht an den 30-Jährigen, der mitten im Leben steht und Sport macht – ein Irrglaube?

Schlaganfall kann jeden treffen. Das ist richtig. Aber prinzipiell ist jeder 2. Patienten mit Schlaganfall über 75 Jahre alt. Ab 55 verdoppelt sich die Schlaganfallrate pro Dekade und Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Bluthochdruck, Diabetes, Herzrhythmusstörungen wie z. B. Vorhofflimmern, Fettstoffwechselstörungen, Rauchen und auch Alkohol stellen Risikofaktoren für einen Schlaganfall dar. Viele dieser Risikofaktoren kommen eher bei den älteren Menschen vor, wogegen ungesunde Lebensweisen wie Alkohol und Rauchen, auch bei jüngeren Menschen verbreitetet sind. Zusätzlich spielen auch genetische Faktoren eine Rolle.

Wie wird festgestellt, dass die Halsschlagader verstopft ist?

Die Einengung ist in den meisten Fällen symptomlos, macht keine Schmerzen, es ist eine Einengung der Gefäße, die über viele Jahre entsteht. Das Grundproblem ist: Nicht die Reduzierung der Flussmenge des Blutes zum Hirn ist Auslöser für den Schlaganfall, sondern die Herauslösung von Gerinnsel aus der Engstelle. Diese verschließen dann kleinere Gefäße im Gehirn. Die dadurch entstehenden Durchblutungsstörungen des Hirngewebes lösen den Schlaganfall aus. Mit einer Duplex-Sonografie, also einer speziellen Ultraschalluntersuchung, kann man die Engstellen feststellen - sowohl qualitativ als auch quantitativ. Das bedeutet: man kann zum einen den Einengungsgrad der Stenose einschätzen und zum zweiten ob die Engstelle aus weichen oder auch harten Ablagerungen besteht. Bei den „weichen“ können sich schneller Gerinnsel lösen, das ist gefährlicher.

Was finden Sie, Kalk und Fett? Und vor allem wie viel, gibt es da große Unterschiede?

Ja, durchaus. Ursache ist meist eine Gefäßinnenwandverletzung. Der Körper versucht die Verletzung zu heilen. Dabei sammeln sich zuerst Blutplättchen an, die dem Riss verschließen. Dies gelingt im Alter nicht mehr besonders gut und so lagern sich im Laufe der Zeit auch weitere Substanzen, wie Fette und auch Kalksalze an. Die Ausprägung ist von Patient zu Patient unterschiedlich.

Gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man diese Verengung chirurgisch in Ordnung bringt?

Es gibt offen chirurgische Methoden. Dabei wird das Gefäß freigelegt, dann die Engstelle ausgeschält und das Gefäß mit einem Patch geschlossen, um den Blutfluss zu verbessern. Bei den interventionellen Methoden, wie man sie z. B. vom Herzkatheter kennt, setzen wir über einen Katheter einen Stent. Wenn die Engstelle noch nicht so ausgeprägt ist, gibt es auch die Möglichkeit der medikamentösen Behandlung, Dabei berücksichtigt man die Begleiterkrankungen und stimmt alles aufeinander ab.

Nun gibt es aber nicht nur Verengungen, sondern auch Aussackungen, die auch ein Risiko darstellen, bis hin zum komplexen Aortenaneurysma, was wird da gemacht?

Diese Aneurysmen kommen am häufigsten an der Bauchschlagader vor, gefolgt von den Kniearterien. Alle anderen Regionen sind deutlich weniger betroffen, aber auch an der Halsschlagader sind Aussackungen möglich. Bei Aneurysmen an der Bauchschlagader werden in der Regel auch Stents implantiert, die minimalinvasiv über Leiste eingebracht werden, um das Aneurysma von innen auszuschalten. Das ist sehr schonend, die Patienten sind schneller wieder mobil, haben weniger Schmerzen. An der Halsschlagader werden Aneurysmen offen chirurgisch operiert und eine Kunststoffader eingenäht. Es ist wichtig, Aneurysmen zu behandeln, da, ab einem bestimmten Durchmesser, die Gefahr besteht, dass das Gefäß platzt und die Betroffenen innerlich verbluten.

Steigt nach einem solchen Eingriff nicht auch das Risiko für einen postoperativen Schlaganfall?

Grundsätzlich stellen Operationen eine Belastung für den Körper dar. Auch Menschen mit Vorerkrankungen haben ein höheres Risiko bei Eingriffen. Deshalb gilt es, das Risiko genau einschätzen zu können, um Komplikationen zu vermeiden. Sie werden aber nie einen risikofreien Eingriff erleben. Die gute Aufklärung der Patienten ist wichtig und ein genaues Abwägen von Risiko und Nutzen.

Was kann man tun, um kein Kandidat für einen Schlaganfall zu werden? Helfen Olivenöl, Knoblauch und Rotwein?

Wenn man mit Rotwein alles behandeln könnte, wäre das natürlich sehr schön und viele Patienten würden diese Therapie gegenüber Medikamenten vorziehen. Natürlich spielt eine gesunde Lebensweise, ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung, der Verzicht aufs Rauchen eine große Rolle, um Gefäßerkrankungen zu verzögern. Natürlich sind Lebensmittel wie Olivenöl, die viel ungesättigte Fettsäuren enthalten, besser als tierische Fette, doch eine gesunde Ernährung allein kann leider die Entstehung von Gefäßerkrankungen nicht verhindern.

Interview: Anke Geyer