Im Herzzentrum der Zentralklinik entscheiden Mediziner der drei Herzdisziplinen – Herzchirurgie, Kardiologie und Rhythmologie – gemeinsam, wie Patienten behandelt werden. Prof. Harald Lapp, Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin über gute Streits, medizinische Wünsche und Wirtschaftlichkeit.

Kann man als Patient bei allen drei Fachdisziplinen landen?

Das kann schon passieren. Doch ein Mensch kommt ja in der Regel nicht mit einer fertigen Diagnose, sondern mit Beschwerden. Er geht zum Hausarzt und dann wird es eingegrenzt.

Wie machen Sie sich ein Bild?

Das beginnt ganz traditionell: Wir sprechen mit dem Patienten. Die Anamnese ist der Schlüssel, denn die Geschichte des Patienten ist wichtig. Nach der körperlichen Untersuchungen, gibt es dann weiterführende apparative Diagnostik, vom EKG bis zu aufwändigen Untersuchungen wie der Kernspintomografie. Mit diesen neuen bildgebenden Verfahren können wir uns wirklich ein gutes Bild vom Herzen machen und das ganz ohne invasive Methoden im Herzkatheterlabor.

Ihre Patienten sind überwiegend ältere Jahrgänge und männlich?

Nein, das hängt ganz von der Erkrankung ab und da klammere ich Patienten mit angeborenen Herzfehlern schon aus. Es beginnt für viele im 4. Lebensjahrzehnt, z. B. mit Rhythmusstörungen. Natürlich ist die Gruppe der Patienten mit 60 plus die größte Gruppe mit Arteriosklerose. Aber wie so oft entscheiden auch hier Lebensgewohnheiten wie Rauchen, Diabetes, hoher Blutdruck, hohe Cholesterinwerte, ob und wann jemand bestimmte Herzerkrankungen bekommt.

Herzschwäche kann viele Ursachen haben, rhythmologische, kardiologische. Wie gehen Sie gemeinsam vor?

Herzschwäche ist häufigste Entlassungsdiagnose im Krankenhaus weltweit. Doch entscheidend ist der Beginn. Der Patient meldet sich ja nicht mit der Diagnose Herzschwäche. Ursachen sind Herzmuskelerkrankungen, eine ganze Reihe von Herzrhythmusstörungen und die koronare Herzerkrankung kann sich auch über Luftnot bemerkbar machen, nur ein Drittel der Patienten hat eine Angina Pectoris. Die Ursache herauszufinden und die beste Therapie zu diskutieren, beschreibt die Arbeit in einem Herzzentrum.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Streiten Sie sich?

Wir streiten uns regelmäßig – um die richtige Form der Therapie. Aber damit ist kein konfrontativer Streit gemeint. Wenn wir alle Informationen auf dem Tisch haben, dann reden wir miteinander, was für den Patienten am besten ist. Z. B. bei Herzklappenerkrankungen: Wir streiten nie darüber, wem der Patient gehört, sondern fragen uns, was am besten ist. Wir behandeln keine Herzklappe, sondern einen Menschen mit einer Herzklappenerkrankung – und da wollen wir alle die ideale Therapie.

Spüren Sie wirtschaftlichen Druck?

Auf uns wird kein wirtschaftlicher Druck ausgeübt. Ich glaube es ist bei Medizinern angekommen, dass auch Ärzte und Pflegekräfte wirtschaftlich handeln müssen, denn schließlich geben wir ja das Geld der Versicherten aus. Deshalb denken wir wirtschaftlich. Das Gute ist aber: Wenn man Diagnostik und Therapie auf einem hohen Niveau anbietet, ist man am Ende auch wirtschaftlich. Davon bin ich überzeugt. Wenn man eine hohe Qualität liefert, ist man auch wirtschaftlich, denn eine geringe Komplikationsrate verursacht auch weniger Folgekosten.

Jedes Herz ist anders, gibt es Therapieerfolge, die Sie besonders freuen?

Ja, in der Tat ist jedes Herz anders. Ich würde mich nicht an einen besonderen Patienten erinnern, sondern ich freue mich, wenn wir über einen Behandlungsweg gestritten haben und dann sehen, dass wir für den Patienten eine gute Lösung gefunden haben,

Haben die Patienten Optionen mit zu entscheiden?

Natürlich. Ich persönlich finde es sehr gut, wenn sich Patienten vorher selbst informieren. Selbst mit den wildesten Geschichten aus dem Internet komme ich gut zurecht, weil ich mich dann mit dem Patienten auseinandersetzen kann, um Fragen zu beantworten. Am Ende ist es immer eine gemeinsam getragene Entscheidung.

Welche Rolle spielt die richtige Pflege?

Ohne Pflege ist alles nichts. Wir können noch so gute Eingriffe machen, wenn es nachher auf der Station keine gute Nachbetreuung gibt, ist alles das, was man vorher gemacht hat, nicht viel wert. Die Pflege hat eine zentrale Rolle in der Fürsorge und Nachbehandlung der Patienten.

Die Herzmedizin hat sich rasant entwickelt, gibt es neue Therapieansätze?

Ich bin als Arzt und Kardiologe in einer glücklichen Zeit groß geworden. Ich habe alle großen Entwicklungen der Herzmedizin in den letzten 30 Jahren mitmachen dürfen und aktuell stehen wir auch wieder an einer spannenden Stelle. Die Dinge, die wirklich revolutionär sind, sind neue bildgebende Verfahren, das ist überwältigend. Auch bei Medikamenten geht es voran, z. B. bei der Therapie von Diabetespatienten. Früher ging es darum, den Blutzucker einzustellen, jetzt gibt es Medikamente, die zwar auch den Blutzucker senken, aber vor allem das Leben und ganz besonders auch die Lebensqualität der Patienten positiv beeinflussen. Bei den invasiven Verfahren geht der Weg zu interdisziplinären Verfahren, z B. Herzklappen, die oft auch minimalinvasiv behandelt werden können. Neben der TAVI rücken da auch mehr und mehr die Behandlung der sogenannten AV-Klappen in den Blickpunkt.

Was wünschen Sie sich?

Ich wünsche mir, dass Fortschritt nicht um des Fortschritts Willen passiert, sondern immer auch zum Nutzen des Patienten. Zweitens wünsche ich mir, dass die Berufsgruppen in der Medizin eine stärkere Verknüpfung und damit auch mehr Wertschätzung erfahren. Drittens wäre es schön, wenn viel mehr Herzzentren auch solche Wege gehen und ganz eng interdisziplinär und berufsgruppenübergreifend miteinander arbeiten.

Interview: Anke Geyer