Erfurt. Am Mittwoch hat ein Kriminalbeamter vor dem NSU-Untersuchungsausschusses des Thüringer Landtages Pläne der Landespolizei bestätigt, einen Spitzel in die rechte Szene einzuschleusen.

Der Verdacht eines Polizeispitzels in der Thüringer Neonazi-Szene konnte am Mittwoch im NSU-Untersuchungsausschuss nicht ausgeräumt werden. Allerdings gibt es bisher auch keine Bestätigung, dass im Jahr 2000 ein Neonazi aus den Altbundesländern vom Landeskriminalamt in Erfurt als sogenannte „Vertrauensperson“ (V-Person) in den Thüringer Heimatschutz (THS) eingeschleust wurde.

Seit Jahren beharrt die Thüringer Polizeiführung vor den NSU-Untersuchungsausschüssen darauf, dass in der rechtsextremen Szene keine V-Personen eingesetzt wurden. Diese Aussage findet sich auch in dem im Jahr 2014 veröffentlichten Thüringer Abschlussbericht des ersten NSU-Untersuchungsausschuss.

Zeuge bestätigt geplanten Spitzeleinsatz

Ein erst vor wenigen Wochen entdeckter Aktenvermerkt über ein Telefongespräch zwischen einem LKA-Beamten und einem Thüringer Verfassungsschützer vom 2. Oktober 2000 hat den Verdacht verstärkt, dass die Ermittler damals einen Spitzel in den THS einschleusen wollten. Ein Kriminalbeamter, der damals im Landeskriminalamt (LKA) in einer Sonderkommission die Strukturen des rechtsextremen Thüringer Heimatschutzes aufklären sollte, bestätigte am Mittwoch als Zeuge, dass es die Idee gegeben habe, eine V-Person in den THS einzuschleusen.

An Details konnte sich der 49-Jährige Kriminalist bei seiner Vernehmung am Mittwoch im Untersuchungsausschuss nicht mehr erinnern. Ihm sei nicht bekannt, ob es dazu gekommen ist, dass ein Neonazi aus den alten Bundesländern als Spitzel in den THS eingeschleust wurde, betonte der Zeuge mehrfach. Informationen darüber habe er nicht erhalten. Auch konnte sich der Ermittler kaum noch an das Telefongespräch mit dem Verfassungsschützer und daran wie es dazu gekommen sei erinnern.

Auf mehrfache Nachfrage gab der Zeuge an, dass es zum Zeitpunkt des Telefongesprächs keine Anweisung im LKA gegeben habe, dass der Staatsschutz keine V-Personen führen dürfe. Wäre es anders gewesen, hätte die Sonderkommission nicht über einen solchen Einsatz beraten, argumentierte der Kriminalist. Anhand der Unterlagen, die der Untersuchungsausschuss inzwischen zu dem Vorgang gefunden hat, waren im LKA mehrere Dezernate, darunter das damalige Dezernat 34, für verdeckte Ermittlungen, mit in die Diskussion über einen Spitzeleinsatz in der Neonazi-Szene involviert.

Allerdings geht aus den bisher aufgefundenen Akten nicht hervor, ob der „kooperationswillige Rechtsextremist aus den alten Bundesländern“ – wie es im Vermerk heißt – auch zum Einsatz gekommen ist. Der Zeuge begründete die Debatte damit, dass die Ermittler der Soko die Strukturen des THS aufklären wollten, da wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen den Thüringer Heimatschutz ermittelt wurde. Die Ermittlungen der Soko verliefen ein Jahr später im Sand. Der Chef des THS war damals Tino B., der 2001 als Spitzel des Thüringer Verfassungsschutzes von der Thüringer Allgemeinen enttarnt wurde.

König-Preuss überzeugt von Spitzeleinsatz

Die Linke-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss, Katharina König-Preuss, hatte sich Montagabend bei einer Diskussion im Landtag davon überzeugt gezeigt, dass die Thüringer Polizei trotz aller bisherigen Beteuerungen Spitzel in der rechtsextremen Szene platziert hatte. „Wir wissen, dass es Vertrauenspersonen der Polizei innerhalb der Neonazi-Szene gegeben hat. Wir wissen, wie sie heißen, aber es sind Zufälle, dass wir von ihnen erfahren haben“, sagte sie.

Nach Angaben von Dorothea Marx fehlt bisher der letztendliche Beweis dafür. Dem Ausschuss laufe die Zeit davon, reagierte die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling auf die Zeugenvernehmung. „Wenn wir vor einem Jahr von dem Vermerk gewusst hätten, wäre das kein Problem gewesen“, sagte sie am Mittwoch dieser Zeitung. Der Ausschuss muss spätestens diesen September seinen Abschlussbericht vorlegen, um diesen noch im Landtag beraten zu können. Im Oktober wird ein neues Parlament gewählt.

Thüringer Heimatschutz galt als Dachorganisation

Unter anderem in der Kameradschaft Jena aber auch im Thüringer Heimatschutz sollen sich die drei NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt radikalisiert haben. Der THS galt damals als lose Dachorganisation, unter der sich die Kameradschaften der Neonazis in Thüringen organisierten.

Bei den THS-Treffen waren immer wieder auch mutmaßliche NSU-Helfer mit anwesend. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren im Januar 1998 während einer Polizeirazzia untergetaucht. Beate Zschäpe verurteilte der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts in München im Vorjahr wegen der Beteiligung an den NSU-Verbrechen zu einer lebenslangen Haftstrafe.