Erfurt. Auch in Thüringen empfinden führende Sozialdemokraten den Findungsprozess für die Spitze und die bisherige Kandidatenlage als unbefriedigend.

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag bemüht sich traditionell um originelle Sprachbilder. Jenen, die ihn auf die Dauersuche seiner Partei nach einer neuen Bundesspitze ansprechen, antwortet er dieser Tage: „Diese Personaldebatte ist bei uns ungefähr so beliebt wie Helene Fischer bei Heavy-Metal-Konzerten.“

Nun dürfte es auch unter zünftigen Hardrockern einige – zumindest heimliche – Fans der Schlagersängerin geben. Doch was Hey sagen will, ist klar genug: Die Parteibasis reagiert zunehmend genervt auf einen Prozess, der bisher nur mittelbekannte Bewerber hervorgebracht hat. Bisher kandidiert kein Mitglied des Bundeskabinetts und auch kein Ministerpräsident oder eine Ministerpräsidentin.

Offen sprechen dies bisher aber nur wenige prominente Politiker aus – und wenn, haben sie zumeist nicht mehr wichtige Parteifunktionen inne. Der frühere Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig, der als Kampagnenmanager die Bundes-SPD zu mehreren Wahlsiegen führte, warf in einem langen Text der aktuellen Führungsleuten Versagen und Verantwortungslosigkeit vor. Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein, der seit seinem Rücktritt als SPD-Landeschef nur noch einfaches Parteimitglied ist, beklagt, dass die Länge des Auswahlverfahrens die Landtagswahlen im Osten belaste. Und Thüringens Ex-Vizeregierungschef Christoph Matschie, der vor Bausewein die Landes- SPD für 15 Jahre führte, appelliert an die erste Reihe der Partei, endlich für den Vorsitz anzutreten. Es müsse endlich ein „Rennen der Besten“ geben, sagt der Bundestagsabgeordnete, der immerhin noch dem Bundesvorstand der SPD angehört.

Damit impliziert Matschie bewusst, dass die bisherigen Kandidaten nicht seinen Anforderungen entsprechen. Bisher haben sich um die Nachfolge der vormaligen Parteichefin Andrea Nahles jeweils als Duo Europa-Staatsminister Michael Roth und die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Christina Kampmann sowie die Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach und Nina Scheer beworben. Der Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums, Robert Maier, kündigte eine Einzelkandidatur an. Auch die vormalige Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan kündigte ihre Bereitschaft an.

Lange will SPD-Chefin werden

Und dann sind da noch die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Langeund ihr Bautzener Amtskollege Alexander Ahrens. Bei ihnen handelt es sich um eine Art Ost-Kombo: Denn Lange stammt aus Thüringen. In Rudolstadt geboren und aufgewachsen, ging sie nach dem Abitur nach Schleswig-Holstein und absolvierte eine Ausbildung zur Diplom-Verwaltungswirtin. Im Anschluss arbeitete als Sachbearbeiterin bei der Polizei in Flensburg.

In der SPD ist Lange seit 2003, für die sie erst für den Flensburger Stadtrat kandidierte, dann für den Landtag – und schließlich 2016 für das Oberbürgermeisteramt in Flensburg. Stets hatte sie Erfolg.

Im Frühling des vergangenen Jahres wagte sie dann die Kandidatur gegen Andreas Nahles um den Bundesvorsitz. Sie scheiterte, erzielte aber mit 27,6 Prozent ein respektables Ergebnis.

Seitdem ist die Rudolstädterin aus Flensburg bundesweit bekannt – und will es offenkundig auch bleiben. So schloss sie sich im September vor einem Jahr der Sammlungsbewegung „Aufstehen“ an, die von der linken Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht initiiert worden war. Doch das Bündnis verlief sich schnell im Nirgendwo.

Nun also der neuerliche Anlauf für den Parteivorsitz. Bisher fehlt dem Duo Lange/Ahrens noch die nötige Unterstützung durch einen Parteibezirk oder fünf Unterbezirke – oder einen Landesverband. Könnte dies Thüringen sein? Landeschef Wolfgang Tiefensee will sich nicht konkret zur Bewerberlage äußern. Doch seine allgemeinen Sätze klingen distanziert. „Wir brauchen noch ein paar starke Kandidaturen“, lautet einer davon. Fraktionschef Matthias Hey klingt da anders. „Ich habe größte Sympathien für das Oberbürgermeister-Duo“, sagt er. „Kommunalpolitiker wissen immer, von was sie reden.“

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