Erfurt. Der Polizei fehlt eine belastbare Statistik zu häuslicher Gewalt im Freistaat. Bekannt sind im Vorjahr 3492 Einsätze in Thüringen und insgesamt 3513 registrierte Straftaten.

Aktuell fehlt eine belastbare Statistik zur häuslichen Gewalt in Thüringen. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion hervor. Seit dem Vorjahr werden Fälle häuslicher Gewalt in der Kriminalstatistik anhand der dabei begangenen Straftaten erfasst, heißt es. Damit könne es möglich sein, dass ein Opfer häuslicher Gewalt angetroffen und erfasst werde, der Täter aber mehrere Straftaten begangen habe. In der Statistik erscheine aktuell jede dieser Straftaten dann als einzelner Fall.

Die Delikte reichen von Körperverletzung über Bedrohung, Beleidigung und Sachbeschädigung bis hin zu Nötigung, Misshandlung Schutzbefohlener, Hausfriedensbruch, aber auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Ausspähen von Daten und sogar Totschlag oder unterlassene Hilfeleistung. Insgesamt werden 31 unterschiedliche Delikte und Straftaten genannt. Einfluss auf die Statistik hat laut Innenministerium zudem, dass auch im Vorjahr wieder Straftaten zur häuslichen Gewalt bekannt wurden, die weit zurück, bis ins Jahr 2006, reichen. Diesbezüglich seien 332 Strafanzeigen erstattet worden.

Die Thüringer Polizei musste vor drei Jahren 1078 Mal und vor zwei Jahren 3000 Mal in Verbindung mit häuslicher Gewalt ausrücken. Ob Straftaten begangen und Anzeigen gefertigt werden mussten, gehe aus dieser Einsatzstatistik aber nicht hervor, erklärt ein Sprecher der Landespolizeidirektion.

Konkretere Zahlen hatte das Innenministerium für das Vorjahr: Es kam zu 3492 Einsätzen wegen des Verdachts häuslicher Gewalt. Dabei stellten die Beamten 3513 Straftaten fest. Zumeist waren das Körperverletzungen. Das Ministerium sprich von insgesamt 2595 Fällen, gefolgt von Bedrohungen (234), Beleidigungen (102), Sachbeschädigungen (89) und Nötigungen (88). Die Landespolizeiinspektionen Erfurt, Gera und Jena führen mit jeweils mehr als 600 Delikten die regionalen Statistiken an. In Suhl (306) und Saalfeld (249) gab es im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt die wenigsten Straftaten.

Wie viel Platzverweise, Wohnungsverweisungen oder vorläufige Festnahmen ausgesprochen wurden, ist nicht bekannt. Laut Innenministerium versuche eine Bund-Länder-Arbeitgruppe Lösungen für die statistische Erfassung zu finden.

Deutlich Kritik an den Angaben des Innenministerium übt CDU-Innenpolitiker Raymond Walk: „Das Problem häusliche Gewalt hat in der Pandemiezeit deutlich mehr Aufmerksamkeit erfahren, und der Landesregierung fehlt der Überblick über die Entwicklung. Dabei hängen von diesem Wissen notwendige Unterstützungen für Hilfsangebote und Vereine ab“, betont der Abgeordnete. Aus seiner Sicht könne von eine Zunahme bei Fällen häuslicher Gewalt von bis zu einem Drittel ausgegangen werden.