Erfurt. Es gibt scharfe Kritik am neuen Thüringer Jagdgesetz. Der Forstausschuss-Vorsitzende Egon Primas befürchtet Reformen zum Nachteil der Jäger.

Der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Thüringer Landtag, Egon Primas, befürchtet in Zukunft einen übertrieben hohen Abschuss von Hirschen und Rehen.

„Ich rechne mit einer überzogenen Entscheidung in Richtung Abschuss“, kritisierte Primas die Endfassung der rot-rot-grünen Jagdnovelle, die der Landtag in Kürze beschließen soll. „Ich befürchte, es geht nur noch um die Vernichtung von Wild“, sagte Primas unserer Zeitung. Das ist nicht die Jagd, die wir in Thüringen kennen. Die Jagd ist ein Landeskulturgut und kein Schädlingsbekämpfungsmittel.“

Wenn das Gesetz so komme, wie vorgesehen, warnt Primas, werde das Ansehen der Jäger, die in der Öffentlichkeit jetzt schon oft angefeindet werden, noch stärker beschädigt.

Thüringenforst soll Wildabschusspläne künftig dem Agrarministerium zur Genehmigung vorlegen

Was den CDU-Politiker besonders erregt, erscheint zunächst wie eine bürokratische Formalie: Die Anstalt öffentlichen Rechts Thüringenforst, die ein Drittel des Waldes im Freistaat bewirtschaftet, soll ihre jährlichen Wildabschusspläne künftig dem Agrarministerium zur Genehmigung vorlegen. Für alle anderen Jagdgenossenschaften und -verantwortlichen sollen hingegen die unteren Jagdbehörden in den Landkreisen zuständig sein.

Das Landwirtschaftsressort von Ministerin Birgit Keller (Linke) werde die Wildabschusszahlen von Thüringenforst, die landesweit bereits jetzt Spitze sind, künftig noch weiter steigern, vermutet Primas. Unter anderem verweist er auf einen kleinen, aber entscheidenden Satz in dem rot-rot-grünen „Aktionsplan Wald 2030“, welcher festlegt, dass in den nächsten zehn Jahren 200 Millionen Bäume in Thüringen gepflanzt werden sollen. „Um ein solches Waldumbauprogramm zur Rettung unserer Wälder umzusetzen“, heißt es im Aktionsplan, „ist die Herstellung von waldverträglichen Schalenwalddichten zwingend erforderlich.“

Steffen Liebig: „Wir können doch jetzt keinen Feldzug gegen das Wild anfangen“

Für Steffen Liebig, den Präsidenten des Thüringer Landesjagdverbands, ist das kein Weg: „Wild totschießen, damit der Wald wächst. Das ist doch Unsinn. Wir können doch jetzt keinen Feldzug gegen das Wild anfangen, nachdem der Wald zerstört ist. Wir nehmen unsere Verantwortung gegenüber der Natur weiter wahr und werden uns von der tierschutzgerechten Jagd nicht entfernen.“

Bei Thüringenforst geht man indes folgenden Weg: Man sei bisher schon bestrebt, so Sprecher Horst Sproßmann, in den Staatswäldern „ökoverträgliche Wilddichten herzustellen“. Dies bedeute, dass Bäume ohne Wildschutzmaßnahmen aufwachsen können.

In der Praxis heißt das: Wenn Hirsche und Rehe an den Bäumen von Thüringenforst große Schäden anrichten, werden die Tiere geschossen. „Wir haben den Abschuss von Rotwild, Rehwild und Schwarzwild seit Bestehen von Thüringenforst definitiv gesteigert“, klärt Sproßmann auf. Und genau dies wird wohl auch in Zukunft geschehen. Denn, so Sproßmann: „An vielen Waldorten in Thüringen sind die Rot- und Rehwildbestände immer noch erhöht. Eine ökoverträgliche Wilddichte kann im Staatswald über eine intensivere Bejagung sichergestellt werden.“

Wild aus privaten Nachbarrevieren würde auf Staatsforstflächen wechseln

Aus dem Agrarministerium dürfte dagegen kein Widerstand zu erwarten sein. „Bisher gab es in der Einschätzung von Maßnahmen zum Schutz des Waldes keine gegensätzliche Auffassung von Ministerium und Thüringenforst“, sagt Sproßmann.

Kritik, Thüringenforst würde „zu intensiv in Wildbestände eingreifen“, sei tatsächlich zu hören, räumt Sproßmann ein. Aber damit habe es möglicherweise folgende Bewandtnis: Wenn auf den Flächen von Thüringenforst mehr Hirsche und Rehe geschossen würden, führe dies zu einem verbesserten Nahrungsangebot. Also würde Wild aus privaten Nachbarrevieren auf Staatsforstflächen wechseln. Manche Jäger, heißt es, sähen das nicht gern.

Egon Primas sieht das genau umgekehrt. Der vermutete Plan von Rot-Rot-Grün, Wild im Staatsforst künftig noch stärker zu bejagen, gehe zu Lasten der privaten Waldbesitzer. Denn das Wild werde beunruhigt, ziehe sich in die benachbarten Privatwälder zurück und fresse sich dort durch die Bestände.

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