Erfurt. Knapp 18 Jahre nach seiner Verabschiedung bringt das Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2003 immer mehr Direktversicherte auf die Barrikaden und auf die Straße. Am 1. Mai demonstrierten in Erfurt etwa 150 Betroffene.
Mit Pfiffen und Buh-Rufen haben am Tag der Arbeit in Erfurt etwa 150 Direktversicherte aus dem ganzen Bundesgebiet ihre Kritik am Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) von 2003 erneuert. Das unter Rot-Grün verabschiedete GMG – von Teilnehmern übersetzt mit „Gangster machen Gesetze“ – hatte zur Folge, dass Arbeitnehmer bei Renteneintritt auf die für das Alter angesparte Summe den vollen Beitrag zur Krankenversicherung entrichten müssen, obwohl bei Vertragsabschluss völlig andere Konditionen galten. Damit büßen sie knapp 20 Prozent des Auszahlbetrages ein. Als besonders großen Vertrauensbruch empfinden es die Betroffenen dabei, dass das Gesetz auch auf alle laufenden Verträge angewendet wird. Bestandsschutz galt nicht.
„Das ist Rechtsbeugung“, sagte Reiner Korth, stellvertretender Bundesvorsitzender des Vereins der Direktversicherungsgeschädigten (DVG), der sich seit 2015 gegen das GMG zur Wehr setzt. Denn nur mit dem juristischen Kniff, die bis dahin sozialabgabenfreie Einmalzahlung mit einem 120-monatigen Rentenbezug gleichzusetzen, sei der Zugriff auf das Geld der Direktversicherten möglich gewesen.
CDU-Abgeordnete verteidigt Änderung und äußert Verständnis
Von Rechtsbeugung könne keine Rede sein, entgegnete die Erfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Antje Tillmann mit Blick darauf, dass bisher alle Klagen Betroffener vor Sozialgerichten erfolglos waren. Am Rande der Demo vor dem Landtag räumte sie aber ein, dass es „falsch war“, in die Altverträge einzugreifen, und dass sie Verständnis für den Groll der Betroffenen habe.
Doch sie wisse nicht, wo die 35 Milliarden Euro herkommen sollten, die nach ihrer Schätzung notwendig seien, um die Direktversicherten zu entlasten und jene zu entschädigen, die bereits zur Kasse gebeten wurden. Wer das Unrecht korrigieren wolle, nehme eine Beitragssteigerung für alle gesetzlich Krankenversicherten in Kauf, sagte Tillmann.
Die Linke-Landtagsabgeordnete Karola Stange nannte es „skandalös“, was den Direktversicherten widerfahren ist, die im guten Glauben auf diese zweite Säule der Altersversorgung gesetzt haben. Genauso aber sei es ein „Skandal“, dass der Bund meine, die Betroffenen seit Anfang 2020 mit einem Freibeitrag von rund 160 Euro monatlich abspeisen zu können.
Linken-Politikerin: Spahn soll sich schämen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) solle sich schämen für die Aussage, dass die Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge damit steige. Ihre Partei, versprach Stange, werde sich auch künftig für eine Korrektur des GMG stark machen. „Wir werden dieses Thema auch noch einmal in den Thüringer Landtag mitnehmen“, so Stange, die auch ein Grußwort des Thüringer Ministerpräsidenten verlas.
Torsten Abicht will für SPD ins Rennen
Darin forderte Bodo Ramelow (Linke): „Schluss mit dem Zwei-Klassen-System der Rente und der Krankenversicherung. Die ungerechte Doppelverbeitragung der Direktversicherungen muss sofort rückgängig gemacht werden.“
DVG-Bundesvize Reiner Korth erinnerte daran, dass das Thema etwa sechs Millionen Menschen betrifft und sich auch nicht dadurch erledigt, dass die Rentenbezieher nach und nach versterben. „Wir werden das Thema so lange anprangern, bis wieder Gerechtigkeit hergestellt ist. Und wir werden die Jugend aufklären: über Willkür des Staates, über Betrug und Wählertäuschung.“ Die betriebliche Altersversorgung in der jetzigen Form sei tot.