Erfurt. Auch angesichts zunehmender Verbreitung von antisemitischen Verschwörungsideologien im Zusammenhang oder durch die “Querdenken“-Bewegung sieht Innenminister Georg Maier Handlungsbedarf.

Trotz generell gesunkener Zahlen politisch motivierter Delikte haben antisemitische Straftaten im Corona-Jahr 2020 in Thüringen stark zugenommen. Es wurden 116 antisemitische Delikte erfasst, während es ein Jahr zuvor noch 93 waren, wie Innenminister Georg Maier (SPD) am Montag bei der Vorstellung der aktuellen Statistik politisch motivierter Kriminalität mitteilte. Damit gebe es eine Steigerung von etwa 25 Prozent. Dies sei eine «sehr besorgniserregende Entwicklung», die man ernst nehmen müsse.

Auch in anderen Bundesländern kam es 2020 zu mehr antisemitischen Straftaten. In Sachsen-Anhalt etwa betrug die Steigerung wie in Thüringen knapp ein Viertel. Im Nachbarbundesland wurden vergangenes Jahr 87 solcher Delikte registriert, im Jahr davor waren es noch 70. Bundesweit wurde nach vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums im vergangenen Jahr in Deutschland mit 2275 solcher Delikte ein Höchststand gemeldet. Das gleiche gilt für Sachsen, wo vergangenes Jahr 138 antisemitische Straftaten bekannt wurden.

«Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Verbreitung von antisemitischen Verschwörungsideologien im Zusammenhang oder durch die «Querdenken»-Bewegung, sehe ich dringenden Handlungsbedarf», sagte Maier. Er sprach sich dafür aus, die «Querdenken»-Bewegung als Verdachtsfall einzustufen. Ähnlich hatte sich zuvor der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, geäußert. Er forderte eine solche Einstufung, nach der auch nachrichtendienstliche Mittel genutzt werden könnten, auf Bundesebene.

Maier zeigte sich froh darüber, dass ein neues Gesetz mit Strafverschärfungen für Hasskriminalität im Internet in Kraft treten konnte. «Die Verschärfung von Gesetzen und staatliche Repression, werden aber Jüdinnen und Juden nicht ausreichend schützen, wenn wir nicht alle gegen Antisemitismus vorgehen», unterstrich der Minister. Die Gesellschaft sei aufgerufen, gerade in Zeiten der Pandemie, die Stimme gegen Verschwörungstheorien «und den unerträglichen Missbrauch des Judensterns durch Impfgegner» zu erheben. «Jegliche Gleichsetzung der Corona-Maßnahmen mit dem Nazi-Regime ist eine nicht hinnehmbare Verharmlosung des Holocaust.»

Maier bekräftigte, dass die größte Gefahr für die Demokratie von rechts komme. Während die Zahl politisch motivierter Straftaten im vergangenen Jahr auf 2095 Fälle und damit um etwa 16 Prozent deutlich zurückging, blieb sie bei politisch rechts motivierten Delikten nahezu konstant. Der Statistik zufolge gab es 1312 rechts motivierte Straftaten - 11 mehr als im Jahr 2019. Die politisch motivierte Kriminalität von links ging im vergangenen Jahr zurück - von 437 Fällen im Jahr 2019 auf 646 Fälle im vergangenen Jahr.

Maier erwartete, dass die Zahlen politisch motivierter Straftaten generell im Super-Wahljahr 2021 wieder steigen werden. Oft werden in Wahljahren mehr Sachbeschädigungen registriert - etwa an Wahlplakaten. Am 26. September sind Bundestagswahlen, zudem werden in mehreren Bundesländern die Landtage gewählt. Auch in Thüringen ist dies geplant, dafür muss sich jedoch erst noch das Parlament auflösen.