Berlin. Arbeiten, um zu leben – dieses Schema trifft längst nicht mehr den Zeitgeist. Die junge Generation sucht mehr Sinn im Berufsalltag.

„Arbeit ist kein Ponyhof.“ Mit dieser Aussage hat Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, für Aufregung bei der jüngeren Generation gesorgt. Die frühere SPD-Chefin geht davon aus, dass Fragen der Work-Life-Balance neu ausgehandelt werden müssen.

„Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit”, meint auch Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Zwar spricht Kampeter bei „Table Media“ auch von der Wichtigkeit der Work-Life-Balance, betont jedoch, dass diese auch mit einer 39-Stunden-Woche möglich sei.

Die Debatte darüber, dass junge Menschen anders über das Arbeiten nachdenken und ein anderes Verständnis von Leistung haben als die ältere Generation, kommt immer wieder auf. Was bedeutet das für unsere Wirtschaft, wenn mit 25 Jahren schon die Work-Life-Balance im Vordergrund steht? Was muss sich ändern, damit die junge Generation weiterhin „Bock auf Arbeit” hat? Ein Überblick.

Unternehmen müssen Jüngere motiviert halten

Die These, dass jungen Menschen die Motivation zum Arbeiten fehlt, räumt Ronja Ebeling, Journalistin und Beraterin für Unternehmen im Umgang mit der Generation Z, direkt aus dem Weg. „Natürlich hat die junge Generation noch Lust auf Arbeit. Die Herausforderung ist für Unternehmen, die Leute wirklich motiviert zu halten“, sagt die 27-Jährige.

Für sie sind die Strukturen in den Unternehmen der entscheidende Faktor, damit die Leute am Ball bleiben. Flache Hierarchien und die Vereinbarkeit mit der Familie sieht Ebeling als Kernpunkte an, um junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu halten.

Arbeitsbedingungen: Arbeit muss mit Familie vereinbar sein

Dem stimmt auch Andreas Audretsch, stellvertretender Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion zu. „Jobs sind attraktiv, wenn die Bedingungen gut sind“, sagt er. „Gute Löhne, Arbeitszeiten, die auf familiäre Verpflichtungen Rücksicht nehmen, Mitbestimmung, Wertschätzung, Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten.“ Diese Punkte sollten seiner Meinung nach die Debatte dominieren, anstatt über die Arbeitsmoral einer ganzen Generation zu diskutieren.

Ähnlich sieht es Martin Rosemann, Sprecher im Bundestag für Arbeitsthemen (SPD). „Arbeit muss auch zum Leben passen und mit verschiedenen Lebenssituationen vereinbar sein. Als Vater von zwei kleineren Kindern weiß ich, was es bedeutet, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen,“, sagt er und spricht damit einen der Grundvoraussetzungen für junge Menschen im Beruf an. Für Betreuungsengpässe müsse es in Betrieben mehr Verständnis geben, so Rosemann.

Geringere Frustrationstoleranz auf der Arbeit

Generationsforscher und Diplompsychologe Rüdiger Maas sieht aber auch, dass die Frustrationstoleranz in der jüngeren Generation abnimmt. „Wer heutzutage in einem Job unzufrieden ist, will nicht wachsen“, sagt Maas. Man wählt das geringere Übel, überlege, ob man sich das antun will oder wechselt zum nächsten Arbeitgeber. Die sogenannte „fear of best option”, die Angst eine vermeintlich bessere Chance zu verpassen, sei omnipräsent. Begünstigt durch den Luxus, dass sich junge Arbeitnehmer oftmals aussuchen könnten, wo sie arbeiten wollen, ergänzt der Generationsforscher. Trotzdem fehle ihm in den Äußerungen von Nahles und Kampeter ein konkretes Handlungskonzept. „Die Politik tut gerade kaum etwas, um Arbeit attraktiver zu machen”, sagt Maas.

Es braucht einen tieferen Sinn in der Arbeit

Junge Arbeitnehmer suchen neben einer Vereinbarkeit zwischen Job und dem Rest ihres Lebens vor allem einen Sinn in ihrer Arbeit, sagt Grünen-Politiker Audretsch. Unternehmen, die ihren jungen Angestellten einen tieferen Sinn in ihrer Arbeit vermitteln, scheinen attraktiver zu sein.

„Es ist so, dass die Arbeit nicht mehr der Mittelpunkt von jungen Menschen ist. Gerade in Krisenzeiten ist die körperliche und mentale Gesundheit viel wichtiger”, so Ronja Ebeling. Vielleicht lässt sich dieser Mittelpunkt wieder verschieben, wenn der Beruf über das reine Abarbeiten von Aufgaben hinweg einen tieferen Sinn für die Arbeitnehmer bereithält.

Finanzielle Unsicherheit macht Arbeitsmarkt unattraktiv

Zwar gibt es immer mehr Stellen für die junge Generation auf dem Arbeitsmarkt, trotzdem scheinen Inflation, steigende Energiepreise und die damit einhergehende finanzielle Unsicherheit eher Sorgen vor dem Einstieg in den Arbeitsmarkt zu schüren.

Wer früher mit dem gleichen Gehalt noch von einem Eigenheim träumen konnte, für den rückt das jetzt in weite Ferne. „Das ist für viele einfach unrealistisch. Da wird natürlich hinterfragt, ob es Sinn ergibt, seinen Fokus auf die Arbeit zu legen”, so Unternehmensberaterin Ronja Ebeling.

Die Angst vor Altersarmut ist nicht nur etwas, was ältere Menschen umtreibt, sondern auch gerade junge Menschen”, erklärt sie weiter. Laut ihr müssten Unternehmen finanzielle Bildung anbieten, damit junge Menschen sich in ihren Sorgen aufgefangen fühlen.

40 Stunden oder 4-Tage-Woche?

Und dann steht da noch die Aussage von Kampeter, wonach eine Work-Life-Balance auch mit einer 39-Stunden-Woche möglich sei. Das widerspricht den Bedürfnissen einer Generation, die immer öfter nach der Vier-Tage-Woche ruft. Die Lösung? Flexible Arbeitszeiten, Home-Office Regelungen.

So sieht es auch Maximilan Mörseburg (CDU), der flexible Arbeitszeitmodelle für junge Berufseinsteiger fordert. „Ob am Ende 30 oder 40 Stunden gearbeitet werden, sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber untereinander ausmachen, am besten individuell”, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete. „Das Land braucht leistungsbereite Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer”, so Mörseburg, aber gleichzeitig auch weniger Bürokratie und Regeln.

In einem sind sich die meisten Expertinnen und Experten einig. Der jungen Generation scheint es am Ende nicht darum zu gehen, die deutsche Wirtschaft durch eine Anti-Arbeitshaltung ins Wanken zu bringen, sondern lediglich darum, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander sprechen und die alten Gewohnheiten an eine neue Zeit anpassen.