Welche Fragen bewegen junge Menschen in Thüringen? Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der sechs Bundestagsparteien antworten.

Maximilian Bratfisch, 24, aus Gera, möchte wissen: „Warum muss Deutschland das Klima retten, aber größere Verursacher wie die USA und China werden nicht zur Verantwortung gezogen?“ Das sind die Antworten der Kandidatinnen und Kandidaten.

Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen)

Das Pariser Klimaschutzabkommen ist ein völkerrechtliches Abkommen und gilt für alle. Und somit ist auch klar, dass wir CO2-neutral werden müssen. Deutschland ist ein gut ausgestattetes Industrieland. Und ich bin sehr froh, dass zum Beispiel viele in der Autoindustrie von sich aus sagen, sie wollen in Zukunft keine Verbrenner mehr herstellen, sondern klimaneutral werden, weil es um unsere Wettbewerbsfähigkeit geht. Ich möchte auch, dass die alten Verbrenner zu Ende gefahren werden, denn alles andere wäre nicht nachhaltig. Da kommen Wirtschaft und Klimaschutz zusammen.

Muss Deutschland in Sachen Klimaschutz Pionierarbeit leisten?

Wir sind gar nicht allein die Retterinnen und Retter, sondern Teil eines Großen und Ganzen. Wir haben uns dazu verpflichtet und das gilt für die anderen auch. Die USA und auch China haben sich ebenfalls verpflichtet und auch diese Länder sind längst auf dem Weg. Natürlich gibt es dabei Unstimmigkeiten, wenn über das genaue Vorgehen diskutiert wird. Aber trotzdem ist klar, alle Länder haben das Abkommen unterschrieben und alle Länder müssen hin zur CO2-Neutralität.

Wir reden derzeit immer von 1,5 Grad. Aktuell sind wir bei etwas mehr als 1,0 Grad und schon erleben wir diese ganzen Wetterextreme. Deshalb sollten wir zeigen, dass es geht, dass wir die Schnellsten, Innovativsten und Besten sind. Schließlich haben wir die Ingenieure, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und junge Leute, die auf die Straße gehen und mitmachen.

Wenn wir zeigen können, wie es geht, dann werden andere nachziehen. Und wir haben den Vorteil, schneller gewesen zu sein. Sich für Klimaschutz einzusetzen ist schon ein Wert für sich. Dann aber noch sagen zu können, wir schaffen das sozial gerecht und gestalten so wirtschaftlichen Erfolg, das passt doch super zusammen.

Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke)

Deutschland hat durchaus einen sehr hohen CO2-Ausstoß und ist, glaube ich, auf Platz 6 der Liste der Top-Emittenten. Aber selbst, wenn wir mit unserem CO2-Ausstoß auf dem letzten Platz der Liste ständen, hätten wir eine globale Verantwortung.

Wir werden alle den Klimawandel erleben und spüren ihn schon zum Teil sehr heftig. Deshalb ist es auch an Deutschland, die Verantwortung zu tragen. Es ist bei Weitem nicht so, dass wir das Pariser Abkommen erfüllen. Ich bin dafür, dass man das Pariser Abkommen weiterentwickelt, dass man wesentlich schneller und radikaler CO2 reduziert.

Wir müssen mit einer Vorbildfunktion vorangehen, weil wir zum einen natürlich auch CO2 produzieren, und weil wir zum zweiten in der Welt durchaus eine Stimme haben, die wir einsetzen müssen, um gemeinsam weltweit gegen den Klimawandel agieren zu können. Das wird keine Geschichte sein, die ein Staat für sich lösen kann. Das braucht eine globale Anstrengung, und da braucht es auch die Anstrengung von Deutschland, das mit zu organisieren.

Was würden Sie als Lösung vorschlagen, um auch Länder wie die USA und China zur Verantwortung zu ziehen?

Zunächst einmal könnten sich alle, die das Pariser Abkommen unterzeichnet haben, daran halten. So weit dazu. Das Zweite: China ist ein Land, das wächst und wächst und wächst. Und Länder wie die USA haben einen hohen CO2-Ausstoß durch die Industrie. Das lässt sich nicht einfach über Bitten regeln.

Wir müssten industrielle Produktion weltweit auf erneuerbare Energien umstellen, aufhören, weltweit Kohle zu schürfen und weltweit darüber reden, wie wir von Verbrenner-Motoren mindestens zu Elektroautos als Zwischentechnologie hin zu Wasserstoff kommen können.

Treibhausgase zu verringern, ist keine One-Man-Show oder One-Woman-Show. Das müssen wir alle zusammen machen. Man kann ja auch niemandem den Wohlstand verbieten. So wie wir unseren Wohlstand weiterleben wollen und unsere Lebensform, wollen das natürlich die Chinesen, die Russen, die Amerikanerinnen auch.

Deshalb muss man gemeinsame Wege finden. Ich würde aber nicht pauschal über Sanktionen sprechen.

Gerald Ullrich (FDP)

Mit dem Auferlegen und in Verantwortungsziehen ist es gar nicht so einfach, wenn wir als Deutschland China oder die USA zur Verantwortung ziehen wollen. Wir können eben nicht mal die Kavallerie hinschicken.

Ich glaube, dass wir in Deutschland eine Vorbildrolle haben und diese auch noch ausbauen müssen. Das birgt aber auch ein Risiko. Die Welt schaut auf uns, auch China, die USA und auch kleinere Staaten. Und sie schauen: Haut es denn bei denen hin?

Wenn wir für Energiewende und für den Klimaschutz arbeiten und es wird uns hinterher schlechter gehen als vorher, dann wird die Welt nicht mitziehen. Deswegen müssen wir alles dafür tun, dass uns diese Energiewende und Generationenaufgabe, das Klima zu schützen, gelingt, bei Erhaltung unseres Wohlstandes.

Da habe ich gerade meine Bedenken. Es geht nur, es mit den Menschen zu machen. Wir brauchen dafür nicht nur die 82 Millionen Deutschen, wir brauchen die ganze Weltbevölkerung.

Wir in Deutschland werden das Klima nicht retten. 82 Millionen Menschen, egal wo auf der Welt, werden das Klima allein nicht retten, auch wenn sie sich komplett abschaffen. Wir können nur eine Vorbildrolle haben, dass die anderen unseren Weg gehen. Das ist eine große und schwierige Aufgabe. Da sehe ich uns nicht auf dem allerbesten Weg. Wir bekommen das mit Verboten und Restriktionen nicht gebacken.

Wie sich die Menschen in der Pandemie nicht dauerhaft an Verbote halten, werden sie es auch im Klimaschutz nicht tun, selbst wenn sie die Wichtigkeit einsehen. Wir brauchen vor allem technische Innovation.

Stephan Brandner (AfD)

Natürlich gibt es den Klimawandel, den gibt es aber auch schon immer, seit Milliarden Jahren. Das Klima wandelt sich permanent. Jetzt kann man sich darüber streiten: Haben die Menschen darauf einen Einfluss oder nicht? Und da fehlt mir schon der Streit: Der findet so gut wie gar nicht statt.

Es wird gesagt: Weil die Menschen viel CO2 produzieren, gibt es den Klimawandel. Und das ist für mich alles andere als schlüssig. Vor 150.000 bis 15.000 Jahren war hier noch Eiszeit, da waren hier noch 100 Meter Eis. Da gab es keinen Menschen auf der ganzen Erde. (Anm. der Redaktion: Die letzte Kaltzeit setzte vor etwa 115.000 Jahren ein und endete vor etwa 11.700 Jahren. Die ältesten Fossilien, die je vom Homo Sapiens gefunden wurden, sind 315.000 Jahre alt. Nach Europa kam der Mensch vor ungefähr 40.000 Jahren.)

Und trotzdem hat sich die Temperatur extrem erhöht, sonst würden wir hier nicht sitzen, sondern ein paar 100 Meter höher in einem Iglu. Klimawandel gab es also schon immer. Hat CO2 Einfluss auf den Klimawandel? Kann sein. (Anm. der Redaktion: Die überwältigende Mehrheit der Klimaforscherinnen und -forscher sagt: Ja.)

Aber wenn man sich die CO2-Konzentration zurzeit anguckt, 0,04 Prozent, also 400 ppm (Anm. der Redaktion: ppm bedeutet parts per million). In den vergangenen Millionen Jahren lag der Wert durchschnittlich beim fünf- bis sechsfachen. Aus meiner Sicht erschließt sich schon nicht, wie überhaupt CO2 für den Klimawandel verantwortlich sein sollte und welchen Anteil die Menschen da haben sollen.

Deutschland stellt ein Prozent der Weltbevölkerung dar, zwei Prozent des CO2-Ausstoßes. 99 Prozent der Weltbevölkerung sind woanders, 98 Prozent des CO2-Ausstoßes kommt woanders her. Wie sollte Deutschland, dieses Mini-Land, überhaupt nur ansatzweise einen Einfluss auf das Klima ausüben – wenn es so wäre. Wenn wir jetzt schlagartig in Deutschland alle Maschinen ausmachen, wir hören alle auf zu atmen, schlachten alle Tiere, kein Leben mehr in Deutschland – es hätte null Auswirkungen auf das Weltklima.

Wenn man schon meint, CO2 wäre verantwortlich, dann muss man sich tatsächlich an die Verursacher wenden. Wenn man sich das Abkommen von Paris anschaut, dann hat sich da ja auch nur ein geringer Teil der Länder verpflichtet. Die maßgeblichen Verursacher USA und China bauen ihren Ausstoß ja noch aus.

Carsten Schneider (SPD)

Deutschland im Allgemeinen stößt nur einen kleinen Teil der Emissionen aus, die für den Klimawandel verantwortlich sind. Aber pro Kopf haben wir einen hohen Wert, weil wir über ein Wohlstandsniveau verfügen wie ganz wenige Länder der Welt.

Die USA sind, zum Glück, nach der Wahl von Joe Biden dem Pariser Klimaclub wieder beigetreten, in dem sich alle verpflichten das Ziel von maximal 1,5 Grad Celsius Erderwärmung anzunehmen. Wir als Deutsche wollen das bis 2045 erreichen, um die Steigerung der Erderwärmung zu reduzieren und auch zu begrenzen auf 1,5 Grad.

Das geht nur, wenn man das mit allen Ländern gemeinsam macht, weil wir nur eine Atmosphäre haben.

Wie können wir auf europäischer Ebene einen Schritt nach vorne machen?

Von den europäischen Ländern ist das Klimaziel anerkannt. Das ist auch einer der neuen Schwerpunkte der Ratspräsidentschaft von Ursula von der Leyen für die nächsten fünf Jahre. Wir sind in Europa das einzige Hochindustrieland, dass aus Kohle- und Atomverstromung aussteigt. Wir steigen aus der Braunkohle aus, bis 2038. Dieser Ausstieg ist auch ein europäisches Ziel.

Mit welchen Mitteln das jeweils erreicht wird und welche Sektoren wie Tourismus, Verkehr, Landwirtschaft, Wohnen, den Beitrag zu weniger Ausstoß zu leisten, das ist unbenommen eine nationale Entscheidung. Wir stehen vor einem wahnsinnig anspruchsvollen Jahrzehnt, was vielen Deutschen in ihrem Lebensstil viel abverlangen wird.

Christian Hirte (CDU)

Diese Frage adressiert natürlich die zentrale Herausforderung: dass Klimaschutz ein internationales Thema ist. Wir allein können die Welt nicht retten. Aber zur Wahrheit gehört, dass Deutschland zwar nur 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursacht, aber nur 1 Prozent der weltweiten Bevölkerung hat.

Das zeigt schon, dass wir doppelt so viel CO2 ausstoßen wie der Durchschnitt, international und in der Welt. Daher sind wir in einer besonderen Verantwortung. Insbesondere deshalb, weil wir durch 150 Jahre Industrialisierung eben schon 150 Jahre länger CO2 emittieren, als das beispielsweise die Entwicklungsländer tun, unter anderem auch China. Und dennoch geht die Frage in die richtige Richtung. Wir allein können das Klima nicht retten, und daher ist es sehr wichtig, dass wir uns für einen internationalen Klimaschutz engagieren. Wir können dabei auch vorangehen, denn wir sind wirtschaftlich und technisch weiter als andere.

Was meinen Sie konkret?

Was schon auf den Weg gebracht ist, seit diesem Jahr, ist die Bepreisung von CO2. Das heißt, seit dem 1. Januar 2021 hat der Ausstoß von CO2 einen Preis. Das hat praktische Auswirkungen. Das merken die Leute an der Tankstelle. Das werden sie merken bei der Heizkostenabrechnung, und wir werden sehen, dass die CO2-Bepreisung in den nächsten Jahren zunimmt.

Das heißt, die Industrie, aber auch die Verbraucher werden auf die Bepreisung, also auf den CO2-Ausstoß, wegen der Kosten reagieren. Und wir werden mit der Bepreisung von CO2 sehen, dass sich die Ökonomie darauf einstellt. Sie wird nach marktwirtschaftlichen Mechanismen schauen, wie sie am einfachsten den CO2-Ausstoß reduziert.

Wir müssen es einfacher machen, dass große Infrastrukturprojekte, Stromtrassen, Offshore-Windparks, auf den Weg gebracht werden. Das heißt, wir müssen auch das Verwaltungsrecht vereinfachen. Und, das hat auch die Corona-Pandemie gezeigt: Wir müssen viel besser werden bei der Digitalisierung.

Bei der Schnelligkeit von Verwaltungsprozessen. Wir brauchen eine riesige Verwaltungsreform, müssen uns fit machen für den internationalen Wettbewerb und auch für die großen Herausforderungen, etwa beim Klimaschutz.

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