Welche Fragen bewegen junge Menschen in Thüringen? Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der sechs Bundestagsparteien antworten.

Vivien Grilack, 18, aus Weimar, und Leonie Jurtzig, 19, aus Suhl, fragen: „Warum verdienen Auszubildende im sozialen Bereich so wenig Geld, dass manche noch einen Nebenjob annehmen müssen?“ Das sind die Antworten der Kandidatinnen und Kandidaten.

Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/ Die Grünen)

Katrin Göring-Eckardt, Thüringer Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen
Katrin Göring-Eckardt, Thüringer Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen © Luise Giggel

Vivien, Leonie, ihr habt total recht. Man kann nicht sagen, die einen kriegen Bafög und die anderen müssen irgendwie sehen, wie sie klar kommen. Eine Ausbildung zu machen und noch einen Nebenjob machen zu müssen – das kann nicht sein. Die Ausbildungsvergütung muss so hoch sein, dass sie auskömmlich ist. Dann geht es aber auch darum, was man später verdient. Gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen, davon hängt total viel ab. Wir sind eine älter werdende Gesellschaft und ich finde immer, jede und jeder sollte sich mal vorstellen, wie ist das dann, wenn ich soweit bin.

Da wird sicher auch dazugehören, dass wir offener werden dafür, dass Menschen auch aus anderen Ländern hierher kommen, um solche Berufe hier bei uns zu ergreifen. Aber das ersetzt überhaupt nicht, dass wir hier bei uns die Bedingungen für die Ausbildungen verbessern und die Bedingungen für die Arbeit natürlich auch. Also die Ausbildungsvergütung verbessern und dem Bafög gleichstellen, das gehört beides zusammen. Und dann muss eben die Ausbildung kostenfrei sein.

Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke)

Susanne Hennig-Wellsow, Thüringer Spitzenkandidatin der Partei Die Linke
Susanne Hennig-Wellsow, Thüringer Spitzenkandidatin der Partei Die Linke © Flora Hallmann

Wenn Sie mich fragen, gäbe es eine ganz einfache Möglichkeit, bundesweit die Lebensumstände und die Qualität für Erzieherinnen zu verbessern. Und zwar so, wie wir es hier in Thüringen machen: Über drei Jahre eine duale Ausbildung, die ausschließlich den frühkindlichen Bereich betrachtet.

Das bedeutet, man bekommt Gehalt und muss nicht noch Geld mitbringen, um eine Ausbildung machen zu können.

Damit wäre für viele, die jetzt eine fünfjährige Ausbildung machen müssen, um überhaupt angemessen in Kindergärten zu verdienen, ein größeres Problem geklärt.

Zudem erreichen sie damit die Hochschulreife, um sich weiter qualifizieren zu können. Das ist natürlich nicht ganz einfach umzusetzen.

Was den sozialen Bereich grundsätzlich angeht, sehe ich es auch so, dass all diese Berufe viel zu wenig entlohnt werden. Ich kann mir eine bundesweite Regelung vorstellen.

Warum verdienen Auszubildende in sozialen Berufen so wenig Geld?

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    Gerald Ullrich (FDP)

    Gerald Ullrich, Thüringer Spitzenkandidat der FDP
    Gerald Ullrich, Thüringer Spitzenkandidat der FDP © Philipp Brendel

    Ich bin nicht dafür, dass eine Ausbildung nicht vergütet wird. Wenn jemand eine Ausbildung macht, muss er auch Geld dafür bekommen. Viele junge Leute beginnen eine Ausbildung und sagen gleichzeitig, dass sie ein völlig selbstständiges Leben führen wollen.

    Wenn man beides will und sich die Eltern das leisten können, ist das in Ordnung. Aber manchmal sind die Forderungen an die Gesellschaft ein bisschen hochgeschraubt.

    Man will sich vollständig selbst verwirklichen, aber fragt erst dann, wie man sich das leisten kann. Ich bin gelernter Elektriker. Ich habe damals auch sehr wenig Geld bekommen.

    Sie könnten also Vivien und Leonie antworten, dass nicht erst die praktischen Ausbildungsjahre, sondern auch die theoretischen vergütet werden?

    Wenn wir Wert darauflegen, dass wir auch im sozialen Bereich gute und genügend Fachkräfte haben, dann müssen wir ihnen die Schule auch in Form eines Schulgeldes ermöglichen. Das kann aber nicht so vollumfänglich sein, dass man sein eigenständiges Leben führt und sagt: Bitte, Staat, übernimm du das mal!

    Viele Auszubildende haben das Problem, dass sie weit weg zu ihrer Berufsschule oder ihrem Ausbildungsort fahren müssen. Für sie bedeutet das lange Pendelzeiten zwischen Ausbildungs- und Wohnort

    Was wir gerade in Thüringen mit unserem Berufsschulnetz machen, ist eine Versündigung an die künftige Generation. Indem wir das immer weiter zentralisieren, bleibt den jungen Leuten gar nichts anderes möglich, als weite Wege in Kauf zu nehmen.

    Stephan Brandner (AfD)

    Stephan Brandner, Thüringer Spitzenkandidat der AfD
    Stephan Brandner, Thüringer Spitzenkandidat der AfD © Flora Hallmann

    Ich kann mich noch erinnern, dass die SPD vor gar nicht so langer Zeit eine massive Verfechterin einer Ausbildungsplatzabgabe war. Gott sei Dank hat sich das nicht durchgesetzt. Inzwischen haben wir einen Mangel an Fachkräften und an Azubis.

    Ich kenne das als Rechtsanwalt von den Rechtsanwaltsfachangestellten. Die wurden auch immer sehr schlecht bezahlt in der Ausbildung.

    Aber das steigt alles, das ist Angebot und Nachfrage. Wenn die Dame aus dem Video sagt, sie komme nicht über die Runden: Ich will ihr nichts unterstellen. Aber vielleicht hat sie kostspielige Hobbys.

    Bei Kinderkrankenpflegekräften ist das eine schulische Ausbildung. Also hat sie daraus gar kein stetiges Einkommen.

    Ja, gut, das geht natürlich gar nicht. Wenn ich irgendwo angestellt bin – und sei es als Auszubildender – und auch, wenn ich jetzt in den ersten Monaten noch nicht die Stütze des Unternehmens bin, muss das vergütet werden.

    Wenn die Dame im Video jetzt sagt, sie mache eine Lehre, wo sie kein Geld bekomme, dann kann ich ihr nur empfehlen: Entweder drängt sie darauf, Geld zu bekommen, oder sie wechselt die Ausbildungsstelle und geht dahin, wo sie Geld bekommt.

    Carsten Schneider (SPD)

    Carsten Schneider, Thüringer Spitzenkandidat der SPD
    Carsten Schneider, Thüringer Spitzenkandidat der SPD © Felix Apel

    Grundsätzlich gilt auch für diese jungen Leute: Tretet in eine Gewerkschaft ein und kämpft für eure eigenen Interessen und höhere Löhne und auch die Auszubildendenvergütung. Wenn ihr das nicht tut, wird es niemand freiwillig für euch tun.

    Auch die Politik nicht?

    Nein, geht gar nicht. Weil wir die Löhne in Deutschland nicht festsetzen. Wir setzen maximal das Minimum fest. Alles ist im Grundgesetz tarifiert, dass es Tarifautonomie gibt und Arbeitgeberverbände das miteinander verhandeln.

    Wenn niemand mehr in die Gewerkschaften geht – in manchen Branchen ist das so – und nicht bereit ist für seien Interessen zu streiken, dann wird ein Arbeitgeber niemals freiwillig mehr zahlen. Warum? Der will Gewinn machen. Das ist sein Ziel.

    Was wir tun können ist die Mindestausbildungsvergütung einzuführen und zu erhöhen. Das war ein Kompromiss, den wir bei der Union erreicht haben, die Größenordnung. Aber das ist nur das Mindeste. Das ist nicht der Tariflohn.

    Es gibt Branchen, wo man viel höhere Vergütungen bekommt. Und die sind meistens gewerkschaftlich auch gut organisiert.

    Christian Hirte (CDU)

    Christian Hirte, Thüringer Spitzenkandidat der CDU 
    Christian Hirte, Thüringer Spitzenkandidat der CDU  © Martin Debes

    Wir haben vor zwei Jahren das Berufsbildungsgesetz modernisiert, wo die Ausbildungsvergütungen auf eine neue Grundlage gestellt wurden.

    Es gibt jetzt mehr Geld und auch eine Mindestvergütung. Das wird in den nächsten Jahren permanent ansteigen, insbesondere auch in Gesundheitsberufen. Weil wir die Wertschätzung der sozialen Arbeit am Ende auch mit der Bezahlung dokumentieren müssen.

    Es braucht die Bezahlung dafür aus den Pflegekassen, aus den Krankenkassen. Das muss auf den Weg gebracht werden, und genau das passiert und wird auch künftig weiter passieren.

    Es geht um die Azubis, die von dem Geld, das sie verdienen, praktisch gar nicht leben können. Sind Sie der Meinung, dass das Geschilderte ausreicht, oder würden Sie noch andere Wege in Betracht ziehen, um mehr junge Leute für soziale Berufe zu motivieren?

    Man muss realistisch bleiben: Wir können natürlich nicht bei der Ausbildungsvergütung Maßstäbe ansetzen, dass man davon seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

    Alleine deshalb nicht, weil die Unternehmen sonst schlicht nicht mehr ausbilden. Ein Auszubildender ist zur Ausbildung da und nicht zum Arbeiten. Dessen Produktivität, dessen Mehrwert für das Unternehmen ist einfach nicht der gleiche wie bei einem ganz normalen Angestellten oder Arbeiter.

    Deswegen brauchen wir Ausbildungsvergütungen, die auch von den Unternehmen bezahlt werden, bezahlt werden können, bezahlt werden wollen. Die Ausbildungen finden vor allem in den kleinen und mittelständischen Unternehmen statt – und die müssen das auch künftig weiter machen. Neben der Ausbildungsvergütung gibt es aber natürlich soziale Unterstützung.

    Alle Fragen und die Antworten der Politikerinnen und Politiker:

    Was würde sich durch Ihr Mandat konkret verändern?

    Was tun Sie für junge Menschen, die sich in der Corona-Zeit von der Politik vergessen gefühlt haben?

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