Erfurt. Die Gefangenen-Gewerkschaft will sich mit den Ereignissen vor neun Jahren im Thüringer Gefängnis Tonna und deren juristischer Aufklärung und Aufarbeitung nicht abfinden.

Es liegt fast genau auf den Tag neun Jahre zurück, dass ein 32-jähriger Untersuchungsgefangener kurz nach seiner Einlieferung in die Klinik von Bad Langensalza gestorben ist. Die Ärzte konnten dem Mann, der sich wegen eines Ladendiebstahls verantworten sollte, nicht mehr helfen, heißt es damals.

Der Tod des Gefangenen in der Haftanstalt Tonna im Kreis Gotha löste Ermittlungen der Erfurter Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung, aber auch Disziplinarermittlungen gegen mehrere Justizbedienstete aus. Der Anstaltsleiter musste seinen Posten räumen.

Gestern meldete sich die Solidaritätsgruppe Jena der Gefangenengewerkschaft und forderte, „die Tötung eines Gefangenen durch Beamte der JVA Tonna“ aufzuarbeiten. Gemeint ist der geschilderte Fall in der Haftanstalt in Gräfentonna.

Straftatvorwürfe von damals sind verjährt

Das Thüringer Justizministerium reagierte kurz angebunden. Diese „Forderung sei nicht im Ministerium eingegangen“, teilte ein Sprecher mit. Daher könne dazu auch nichts gesagt werden. „Sollten sich – wie bisher aber nicht bekannt – neue Tatsachen ergeben, wäre gegebenenfalls durch die zuständige Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob Ermittlungsverfahren einzuleiten oder wiederaufzunehmen wären“, heißt es weiter.

Die Ermittlungen der Erfurter Staatsanwaltschaft gegen mehrere Bedienstete des Gefängnisses sollen etwa ein Jahr angedauert haben, bevor sie wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt wurden.

Gegen einen Sanitäter seien sie nach Angaben der Gefangenengewerkschaft gegen die Zahlung von 3000 Euro eingestellt worden. Er soll den Notarzt zu spät informiert haben.

Qualvoller Tod im Knast

Inzwischen ist der Vorwurf der fahrlässigen Tötung verjährt. Der Solidaritätsgruppe Jena der Gefangengengewerkschaft gehe es nicht so sehr um die juristische Aufarbeitung, sagte Konstantin Behrens gestern dieser Zeitung. Viel mehr soll noch einmal genau nachgefragt werden, wieso ein Gefangener so qualvoll im Knast sterben musste. Bei solchen Todesfällen in Deutschland würden Bedienstete fast nie juristisch belangt. „Wir hoffen, dass sich Mitgefangene, Bedienstete, vielleicht auch Ärzte und Pfleger melden, um bei der Aufklärung zu helfen“, so Konstantin Behrens.

Die Gefangenengewerkschaft sieht sich als Interessenvertretung der Häftlinge im Knast. Solidaritätsgruppen unterstützen diese bundesweit außerhalb der Gefängnisse.

Jörg Bursian, Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugbediensteten, erklärt, dass kurz nach dem Tod des Untersuchungshäftlings eine „Sitzwache“ eingeführt wurde, um frühzeitig zu erkennen, wenn ein Gefangener gesundheitliche Pro­bleme habe. Auch werde der Notarzt inzwischen viel früher alarmiert, betont er.

32-Jähriger randalierte im Gefängnis

Der 32-jährige Mann polnischer Herkunft hatte damals nach seiner Einlieferung ins Gefängnis randaliert. Daraufhin wurde er in einem besonders gesicherten und mit Video überwachten Haftraum untergebracht und fixiert. Ein Sanitäter hatte keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bemerkt.

Laut Obduktionsbericht soll der Mann an Überhitzung gestorben sein. Vermutet wird eine mangelnde Versorgung durch Justizbedienstete. Diese hatten offenbar seinen lebensgefährlichen Zustand nicht erkannt.