Nils R. Kawig über den Trend, nachhaltiger leben zu wollen.

Meine Großmutter hat nie etwas weggeschmissen. Ging ein Gerät im Haushalt kaputt, ließ sie es reparieren. Blieb vom Mittagessen eine Kleinigkeit übrig, kam das abends noch mal auf den Tisch. Und wenn ihr ein Kleid nicht mehr passte oder missfiel, suchte sie eine Abnehmerin – und konnte sehr überzeugend sein. So nachhaltig wie die Generation meiner Großmutter, Jahrgang 1920, haben wir nie mehr gelebt. Und ich weiß gar nicht, ob ihr Nachhaltigkeit ein Begriff war. Sie hätte sich wohl eher als sparsam bezeichnet.

Heutzutage verstehen wir unter Nachhaltigkeit alles – und nichts. Dieses Wort wird inflationär benutzt und kommt in beinahe allen Zusammenhängen vor. Es gibt Nachhaltigkeitsmythen, die fleißig gepflegt und trotzdem nicht richtiger werden. Aber es gibt auch ein wachsendes Grundverständnis dafür, dass unsere Gesellschaft weniger verschwenderisch leben muss. Das ist der Kern der Nachhaltigkeit: Wir sollten nur so viel verbrauchen, dass es nachfolgenden Generationen genauso gut wie uns gehen wird. Mit solchen Themen werden wir uns in den kommenden zwei Wochen in der Thüringischen Landeszeitung beschäftigen – in der Serie „Jeder Beitrag zählt“.

Als Vater des Nachhaltigkeitsgedankens gilt Hans Carl von Carlowitz, der von 1645 bis 1714 lebte. Er definierte, dass in einem Wald nur so viel abgeholzt werden darf, wie auf natürliche Weise nachwachsen kann. Ihm ging es um Generationengerechtigkeit.

Meine Großmutter hätte das so nicht beschrieben. Aber, sparsam wie sie war, hat sie so gelebt: sich abends hingesetzt und das Loch im Strumpf gestopft oder den Knopf an der Bluse schnell wieder angenäht.