Erfurt. Vor drei Jahren veränderte der Landtag das Schulgesetz - mehr Inklusion, mehr gemeinsamer Unterricht. Die CDU will nun zusammen mit der FDP das Gesetz ändern - und provoziert eine hitzige Debatte.

Die rot-rot-grüne Minderheitskoalition lehnt einen Gesetzentwurf von CDU und FDP zur Stärkung der Förderschulen in Thüringen ab. Die vorgeschlagene Änderung des Schulgesetzes würde Grundpfeiler des inklusiven Schulsystems einreißen, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, am Donnerstag im Landtag in Erfurt. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) warf CDU und FDP vor, mit ihren Vorstellungen zur Inklusion auf den Stand des Jahres 1992 zurückkehren zu wollen. "Sie wollen einen 30-jährigen, erfolgreichen Weg beenden."

Der Gesetzentwurf der Opposition soll nun im Bildungsausschuss weiter beraten werden. CDU und FDP verlangen u.a., das Recht von Eltern zu stärken, darüber zu entscheiden, ob ihr Kind eine Förderschule besuchen soll oder nicht. "Das Recht, über die Bildung und Erziehung der eigenen Kinder zu entscheiden, ist ein grundlegender Wert demokratischer Gesellschaften", heißt es in der Begründung des Gesetzesentwurfs.

Förderschulen durch Novellierung 2019 geschwächt

2019 hatte die rot-rot-grüne Koalition mit ihrer damals noch vorhandenen Landtagsmehrheit das Schulgesetz novelliert. Damit hatten Linke, SPD und Grünen den gemeinsamen Unterricht gestärkt: Kinder mit besonderem Förderbedarf sollen nun grundsätzlich gemeinsam mit Kindern ohne solchen Bedarf unterrichtet werden. Die Förderschulen waren dadurch zwar nicht abgeschafft, aber geschwächt worden. Sie sollen mit Grund- oder Regelschulen kooperieren.

Holter verteidigte die Grundidee dieser Regelungen: Es müsse verhindert werden, dass Kinder mit besonderem Förderbedarf in Förderschulen von anderen Schülern separiert werden, erklärte er. Genau das wollten CDU und FDP aber letztlich erreichen. "Das, was Sie wollen, ist eine Rolle rückwärts", sagte der Minister.

Vertreter von CDU und FDP widersprachen dieser Darstellung. Der CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner sagte, in der Praxis bewährten sich die Änderungen nicht. Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne besonderen Förderbedarf sei in der Realität oft mangelhaft. Tatsächlich gebe es in den Schulen oft nicht die baulichen Voraussetzungen, um zum Beispiel behinderte Kinder ebenso zu unterrichten wie Kinder ohne Handicaps. Zudem fehle in vielen Einrichtungen das Personal für einen solchen Unterricht. Die Schwächung der Förderschulen sei ein Fehler gewesen. Tischner sprach von einem "traurigen Überlebenskampf der Förderschulen in Thüringen".

Wird Besondere Leistungsfeststellung abgeschafft?

Auch die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Franziska Baum, betonte, ehe gemeinsamer Unterricht stattfinden könne, müssten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Es sei eine Tatsache, dass viele Dinge zwar vorgeschrieben seien, in der Praxis aber nicht umgesetzt würden.

Holter sagte in der Landtagsdebatte, auch er sehe im Bildungsbereich punktuellen Reformbedarf. Bereits vor wenigen Tagen hatte sich der Minister offen für Überlegungen gezeigt, die Besondere Leistungsfeststellung (BLF) abzuschaffen, die Thüringer Gymnasiasten am Ende der zehnten Klasse ablegen müssen. Sie können so einen Schulabschluss erhalten, der dem Regelschulabschluss gleichgestellt ist. Die BLF war als Reaktion auf den Amoklauf am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt 2002 eingeführt worden.

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