Dresden/Berlin. Millionen Stasi-Akten sollen bis Sommer 2021 in das Bundesarchiv überführt werden. Der ehemaliger Jenaer Bürgerrechtler Lutz Rathenow hält die Bundestagsentscheidung für verfrüht.

Sachsens Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Lutz Rathenow, sieht die Konzentration der Stasi-Akten im Bundesarchiv kritisch. „Der Schritt ist verfrüht“, sagte er mit Blick auf die Entscheidung des Bundestages. „Die Beschlussvorlage ist nicht ausreichend vorbereitet, die Überführung bedarf aber einer genauen und sachkundig exakten Vorbereitung.“ Das Material müsse vielmehr dort gelagert werden, wo es künftig für Wissenschaftler, Bürger und Schüler zugänglich sei, mit Bezug zur Region.

Vor allem in Mitteldeutschland sieht der gebürtige Jenaer bleibenden Bedarf und kritisierte die Pläne des Bundesbeauftragten für den „Superneubau“ in Leipzig. Das bedeute den Wegfall von mindestens 100 Mitarbeitern, bürgerschaftlichem Engagement sowie Sachkunde. „Das ist eher ein Rückschlag als ein Fortschritt.“

Akten stehen weiter für Betroffene und Wissenschaft zur Verfügung

Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) verteidigte im MDR die Entscheidung des Bundestages, der die Überführung von Millionen geretteter Akten in das Bundesarchiv bis Sommer 2021 vorsieht. Sie stünden weiter für Betroffene und Wissenschaft zur Verfügung. Die Papiere, Filme und Tonaufzeichnungen sind Kernstück der Stasi-Unterlagen-Behörde, die als Errungenschaft der friedlichen Revolution vom Herbst 1989 gilt.

Mit der Übergabe wird es die Bundesbehörde unter der jetzigen Leitung des früheren aus Jena stammenden DDR-Oppositionellen Roland Jahn nicht mehr geben, sondern in jedem der ostdeutschen Bundesländer nur noch einen Archivstandort.