Erfurt. Thüringen will den teils immer noch zögerlichen Breitbandausbau künftig mit einer eigenen Gesellschaft managen – wenn dies die bisher zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte so wollen.

Schnelleres Internet dank staatlicher Organisation: Die Landkreise und Kommunen sollen die Koordinierung des Breitbandausbaus ab dem nächsten Jahr an eine neue „Thüringer Glasfasergesellschaft“ abgeben können. Das kündigte Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Dienstag in Erfurt an. Die 100-prozentige Tochter der Landesentwicklungsgesellschaft werde die komplizierte Beantragung der Fördermittel vom Bund sowie die nötigen Bauausschreibungen übernehmen.

„Wir sind dann als Land Eigentümer der Infrastruktur“, sagte Tiefensee. Betrieben würden die Leitungen von den Telekommunikationsunternehmen. Der Minister zeigte sich optimistisch, dass die bisher zuständigen Landkreise sein Angebot annehmen werden. „Das wird so kommen“, erklärte er.

Laut dem Minister geht es nicht um Verstaatlichung, sondern darum, dass die öffentliche Hand Glasfasernetze errichtet und vermarktet. Als erstes Pilotprojekt für die neue Glasfasergesellschaft nannte er Oberhof. In der Rennsteiggemeinde sollen mehrere Hotels mit schnellem Internet ausgerüstet werden.

Tiefensee wirft Telekommunikationsunternehmen „Rosinenpickerei“ vor

Als Grund für die neue Initiative gab Tiefensee an, dass die bereit stehenden öffentlichen Gelder mancherorts immer noch zu langsam abgerufen würden. Die Beantragung der Mittel bedeute für die Landkreise „einen riesigen Verwaltungsaufwand“. Obwohl das Land externe Berater vermittle, stellten die Formalitäten immer noch eine zu hohe Hürde dar. Tiefensee warf in diesem Zusammenhang einigen Telekommunikationsunternehmen „Rosinenpickerei“ bei den Ausbaugebieten vor. Darüber hinaus seien die Bauunternehmen überlastet. „Ganz Deutschland buddelt“, sagte der Minister.

Die oppositionelle CDU hatte in der Vergangenheit der rot-rot-grünen Landesregierung und Tiefensee vorgeworfen, beim Breitbandausbau angehängt zu sein. Diese Kritik wies der Minister zurück. Er zitierte aus dem ebenfalls am Dienstag vorgestellten „Jahresbericht Glasfaserstrategie“, wonach in den vergangenen beiden Jahren Investitionen in den Breitbandausbau in Höhe von gut 347 Millionen Euro bewilligt wurden. Fast 154 Millionen Euro davon kamen vom Bund, die Telekommunikationsfirmen investierten rund 105 Millionen Euro. Knapp 76 Millionen Euro stellte das Land zu Verfügung, rund 13 Millionen Euro schossen die Kommunen an Eigenmitteln zu.

Hinzu kommen noch Vorhaben mit einem Volumen von knapp 59 Millionen Euro, die sich noch in der Antragsphase befänden. Auf die Einwohnerzahl heruntergerechnet liege man damit im Bundesdurchschnitt, sagte der Minister.

Thüringen beim Breitband in Deutschland nur auf Platz 12

Die CDU blieb bei ihren Vorwürfen. „Die gefühlte Lage im Land ist eine andere als am Schreibtisch von Herrn Tiefensee“, sagte der Landtagsabgeordnete Mario Voigt dieser Zeitung. Zu viele Schulen, Gewerbegebiete und Privathaushalte seien noch vom schnellen Internet abgehängt. „Was wir brauchen, ist keine zusätzliche Behörde in Erfurt, sondern ein Bündnis aller Betroffenen mit den Telekommunikationsunternehmen, um die nötige Technik zu besorgen“, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion. „Nur weil Rot-Rot-Grün zwei Jahre gepennt hat, fehlen jetzt die nötigen Kapazitäten.“

Laut dem Bericht verfügten zum Stichtag Ende Juni 63 Prozent der Haushalte im Land über einen Breitbandanschluss mit mindesten 100 Megabit pro Sekunde. 89 Prozent hatten wenigstens 50 Mbit/s zur Verfügung – und 92 Prozent mindestens 30 Mbit/s.

Thüringen liegt damit unter den 16 deutschen Ländern nur auf Platz 12. Das entspricht aber aus Sicht des Wirtschaftsministeriums dem Rang des Freistaats bei der Einwohnerdichte. Ebenfalls auf Platz 12 befindet sich Thüringen bei der Versorgung mit dem aktuell noch schnellsten Mobilfunkstandard LTE (4G): Er soll derzeit für 97 Prozent aller Haushalte im Land verfügbar sein.