Erfurt. Thüringens Rechnungshofpräsidentin Kirsten Butzke bemängelt eine „Politik ohne Vorsorge und Weitsicht“, Rekordausgaben und 770 Millionen Euro Defizit.

Es ist der mit Abstand größte Landesetat, den ein Thüringer Parlament je beschließen sollte. Und er war wohl der umstrittenste. Die CDU ließ bis kurz vor Ablauf der Fristen offen, ob sie einen Kompromiss mit der rot-rot-grünen Minderheitskoalition anstrebt – oder vielleicht doch gemeinsame Mehrheiten mit AfD und FDP sucht.

Am Ende bewegte sich die Union doch in Richtung Regierungsminderheit. Die Einigung gelang allerdings so spät, dass das Parlament eine Sondersitzung für diesen Donnerstag ansetzen musste. Denn nur wenn der Etat noch vor Weihnachten verabschiedet wird, kann das Gesetz pünktlich zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Fünf Milliarden Euro mehr als im Etat 2014

So oder so wird die Einigung teuer: 13.069.861.100 Euro darf laut dem aktuellen Entwurf das Land im kommenden Jahr ausgeben, also mehr als 13 Milliarden. Das sind rund 1,127 Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr – und fünf Milliarden Euro mehr als 2014, als Rot-Rot-Grün die Regierung von der CDU-SPD-Koalition übernahm.

Allerdings war es die CDU, die am Ende noch einmal Geld oben drauf legte. Statt den von ihr angekündigten Kürzungen in Höhe von etwa 200 Millionen Euro stehen jetzt knapp 70 Millionen Euro mehr im Plan. Hinzu kommt, dass die eigentlich vorgesehene Tilgung in Höhe von fast 158 Millionen Euro verschoben wird. Macht unterm Strich mehr als 200 Millionen Euro Plus.

Zehn Millionen Euro mehr für die Feuerwehren

Die Union verweist darauf, dass die Personalkosten um 18 Millionen Euro gekürzt wurden. Zudem habe sich ja die Regierung verpflichtet, die Tilgung im Laufe des Jahres aus Überschüssen nachzuholen.

Aus Sicht der Koalition sind das aber nur Buchungsmanöver, um die Wunschliste der CDU zu bedienen. So bekommen die Kommunen 50 Millionen Euro im Energiepreis-Hilfsfonds bereitgestellt. Darüber hinaus gehen 45 Millionen Euro direkt an kleine Gemeinden. Auch auf der CDU-Liste: Zusätzlich 10 Millionen Euro für die Feuerwehren, 5 Millionen Euro für Sportplätze, 4 Millionen an Geburtsstationen, 6 Millionen für private Waldbesitzer, 5 Millionen für den Nahverkehr … Die Investitionsquote liegt jetzt bei stolzen 16,7 Prozent.

Defizit liegt bei 770 Millionen Euro

Der Rechnungshof übt daran Kritik. Das Defizit habe sich durch den Kompromiss nochmals erhöht und liege jetzt bei 770 Millionen Euro, sagte Präsidentin Kirsten Butzke dieser Zeitung. Dies bedeute: Die Summe der vom Landtag veranschlagten Ausgaben übersteige die laufenden Einnahmen um 770 Millionen Euro. Dieses Defizit werde überwiegend aus den Finanzreserven des Landes gedeckt. 752 Millionen Euro werden laut Butzke entnommen – also noch einmal rund 100 Millionen Euro mehr, als ursprünglich im Entwurf der Landesregierung entstanden.

Butzke bemängelt zudem, dass der Landtag sich seiner Verantwortung zur Schuldentilgung entzieht. „Sinn und Zweck der Schuldenregel nach dem Grundgesetz und der Landeshaushaltsordnung werden damit ignoriert“, sagte sie. „Die Suche nach einer parlamentarischen Mehrheit hat der Nachhaltigkeit des Haushalts und damit der Finanzpolitik Thüringens geschadet.“

Die Präsidentin des Rechnungshofs verweist darauf, dass in den vergangenen Jahren viel eingeplantes Geld gar nicht ausgeben wurden. Allein der Jahresabschluss 2021 habe Minderausgaben von 624 Millionen Euro ergeben. „Dies ist eine Politik ohne Vorsorge und Weitsicht“, so Butzke.