Erfurt/Stuttgart. Auch dank sprudelnder Steuereinnahmen geht es den deutschen Kommunen besser als zuletzt. Trotzdem wollen einer Studie zufolge viele Städte und Gemeinden nun ihre Gebühren und Steuern erhöhen.

Die Schulden der deutschen Kommunen sinken - dennoch will ein Großteil der Städte und Gemeinden einer Studie zufolge seine Bürger bald kräftiger zur Kasse bitten. 68 Prozent der Kommunen ab einer Größe von 20.000 Einwohnern planten, Steuern und Gebühren in diesem oder im kommenden Jahr zu erhöhen, heißt es in einer neuen Untersuchung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY.

Laut Erhebung will rund ein Drittel (31 Prozent) der Kommunen die Gebühren für die Straßenreinigung erhöhen, 30 Prozent der Städte und Gemeinden wollen demnach an der politisch umstrittenen Grundsteuer schrauben. Auch Müll- (29 Prozent) und Friedhofsgebühren (27 Prozent) sollten häufig steigen, ebenso plane mehr als jede vierte Kommune eine Erhöhung der Parkgebühren (27 Prozent). Die Gewerbesteuer solle in jeder fünften Stadt oder Gemeinde höher ausfallen (19 Prozent).

Grundsteuer ist wichtigste kommunale Steuer

Vor allem die Grund- und die Gewerbesteuer sind wesentliche Einnahmequellen für Städte und Gemeinden und können von ihnen selbst über sogenannte Hebesätze festgelegt werden. Die Gewerbesteuer müssen Unternehmen zahlen - die Höhe dieser Abgabe ist auch immer ein wichtiger Standortfaktor für die Firmen. Die Grundsteuer gilt als wichtigste kommunale Steuer überhaupt - allein das Land Berlin nimmt so jährlich mehr als 800 Millionen Euro ein. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss sie allerdings bis Jahresende neu geregelt sein, weil die Bewertungsgrundlagen veraltet sind.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte der Deutschen Presse-Agentur, Einnahmen aus kommunalen Steuern würden genutzt, um die Infrastruktur zu erhalten und zu verbessern. Straßen, Schulen, Schwimmbäder, Sportstätten oder Büchereien würden so finanziert. Kommunale Gebühren würden „in der Regel kostendeckend“ für eine bestimmte Leistung erhoben. „Für die kommenden Jahre prognostizieren die kommunalen Spitzenverbände einen Anstieg des Gebührenaufkommens um insgesamt 2,6 Prozent.“

Auffällig sind die ausgeprägten regionalen Unterschiede. Während laut Studie in Hessen (91 Prozent), Thüringen (89 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (81 Prozent) ein Großteil der Kommunen Erhöhungen plant, sind es in Bayern (48 Prozent) und in Sachsen (30 Prozent) jeweils weniger als die Hälfte. Die Befragungsergebnisse sind laut EY für elf große Bundesländer repräsentativ, die anderen seien in der Studie nicht dargestellt worden.

Schere zwischen armen und finanziell besser gestellten Kommunen geht auseinander

Landsberg betonte, in den vergangenen Jahren seien finanzschwache und verschuldete Kommunen immer wieder gezwungen gewesen, Steuern zu erhöhen, „um die Leistungen der Daseinsvorsorge“ zu finanzieren. „Dass nun wiederum ein Teil der Kommunen Steuererhöhungen plant, macht deutlich, dass die Schere zwischen armen Kommunen und solchen, die finanziell besser gestellt sind, immer weiter auseinander geht.“

EY-Experte Bernhard Lorentz sagt, es gebe einen Trend, wonach vor allem die Bürger in finanzschwachen Regionen einerseits immer stärker zur Kasse gebeten würden, andererseits würden dort kommunale Leistungen auch immer stärker reduziert. Laut Studie wollen - ungeachtet möglicher Erhöhungen - immerhin 20 Prozent der Städte und Gemeinden bestimmte Leistungen künftig stärker einschränken - das seien zweieinhalbmal so viele wie noch bei einer Befragung vor einem Jahr, als der Anteil bei nur acht Prozent gelegen habe.

Vor allem im tiefen Westen sollen laut Erhebung die kommunalen Leistungen an einzelnen Stellen gedrosselt werden: 37 Prozent der Kommunen in Nordrhein-Westfalen planen demnach ein entsprechendes Vorgehen. Im bundesweiten Vergleich beabsichtigen jene Kommunen, die Leistungen kürzen wollen, laut Studie am häufigsten eine Reduzierung der Straßenbeleuchtung (14 Prozent) und eine Einschränkung des Betriebs von Hallen- und Freibädern (12 Prozent).

Weniger Leistungen, aber höhere Steuern und Gebühren - EY-Experte Lorentz führt diese Entwicklung auch darauf zurück, dass noch immer nicht geklärt sei, ob der Bund wie angedacht kommunale Altschulden in den am stärksten betroffenen Ländern übernehme. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte zugesagt, der Bund werde mit Ländern und Kommunen sprechen, wie hohe Altschulden schneller abgebaut werden könnten. Unter bestimmten Bedingungen sei die Bundesregierung bereit, einen Teil der Zins- und Tilgungslasten zu übernehmen. Dafür aber müssten sich auch die Bundesländer anteilig beteiligen und die Kommunen dürften nicht weiter hohe Schulden aufnehmen.

Kommunen in Ostdeutschland haben geringe Schulden

Besonders überschuldet sind Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, Kommunen in Ostdeutschland haben dagegen eher geringe Schulden. Im Jahr 2018 hat sich die Lage bundesweit leicht verbessert, wie aus der EY-Studie hervorgeht. Dank sprudelnder Steuereinnahmen und teils massiver finanzieller Unterstützung durch einzelne Bundesländer hätten Städte und Gemeinden im vergangenen Jahr einen Überschuss von 9,8 Milliarden Euro erwirtschaftet, die Gesamtverschuldung der Kommunen sei dadurch um fünf Prozent auf 132,8 Milliarden Euro gesunken.

Immerhin mehr als vier von fünf deutschen Kommunen (83 Prozent) gehen laut Studie aktuell davon aus, ihre Schulden aus eigener Kraft tilgen zu können. Bei jenen Städten und Gemeinden, die derzeit ein Haushaltsdefizit aufwiesen, liege der Anteil derer, die eine Schuldentilgung aus eigener Kraft erwarteten, indes nur bei 51 Prozent - und damit deutlich niedriger als bei solchen Kommunen mit einem Haushaltsüberschuss (94 Prozent).

Die Studienergebnisse sind laut EY repräsentativ und beziehen sich auf Kommunen ab einer Größe von 20 000 Einwohnern. Grundlage sei eine telefonische Befragung von Stadtkämmerern bzw. leitenden Mitarbeitern der Finanzverwaltungen von 300 deutschen Kommunen mit mindestens 20.000 Einwohnern (ohne Stadtstaaten) im Juli und August 2019 durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut gewesen, zusätzliche Berechnungen seien auf der Basis von Statistiken der Statistischen Landesämter und des Statistischen Bundesamtes angefertigt worden.