Blankenhain. Wie der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring in seinem Wahlkreis gegen den schlechten Bundestrend ankämpft.

Der Kreis Weimarer Land ist, selbst für hiesige Verhältnisse, ein besonders schönes Stück Erde. Diese Aussage gilt natürlich auch für die Wälder und Wiesen nördlich des Städtchens Blankenhain, wo sich unwirklich grüne Rasenplätze sanft hügeln.

Hier, im schicken Golfresort nebst Wellnessabteilung, lässt sich vorzeigen, wie gute Gastronomie und Edeltourismus selbst jenseits größerer Städte funktionieren können – zumindest dann, wenn die nötige Unterstützung durch die lokale Politik existiert. So lautet jedenfalls die Botschaft an das Dutzend Hauptstadtjournalisten, das am Dienstagabend im Restaurant des Resorts sitzt und dem örtlichen Landtagsabgeordneten und Kreistagsfraktionschef zuhört, der Mike Mohring heißt.

Der Mann, im Hauptberuf Chef der CDU in Land und Landtag, dazu Mitglied des Bundespräsidiums der Partei und natürlich Spitzenkandidat für die Landtagswahl, ist nebenher stets der Lokalpolitiker geblieben, der er 1990 mit gerade einmal 18 Jahren wurde. Im Kreis und in seiner Heimatstadt Apolda läuft wenig ohne ihn. Sagt jedenfalls Mike Mohring. Ansiedlungen, Sanierungen, Landesgartenschau: All dies wäre ohne ihn nicht gekommen.

Alles läuft wie ein Heimspiel

Und so lässt Mohring die Berliner Presse mit einem angemieteten Bus durch seinen Wahlkreis kutschieren, wo er ihnen Firmenchefs und Bürgermeister vorführt, die gerne seine Leistungen bezeugten. Alles läuft wie ein Heimspiel.

Selbstverständlich tritt in Blankenhain auch der Inhaber der Golfplätze auf, um zu versichern, was für ein toller Kerl „der Mike“ sei. Matthias Grafe kam einst aus dem Sauerland, um mit seinen Brüdern ein Granulatwerk in Blankenhain aufzubauen. Das Golfresort ist sein neues Prestigeprojekt.

Der Unternehmer, nach seiner Auskunft parteilos, präsentierte sich als Gegner des „rot-rot-grünen Versuchslabors“, in dem alles „ganz schlimm“ heruntergewirtschaftet werde. Zwar nimmt es Grafe mit den Fakten nicht so genau, etwa wenn er behauptet, dass die freien Schulen weniger Geld bekämen, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Aber egal: Sein Freund Mohring soll bitte die Landtagswahl am 27. Oktober gewinnen. Bekanntlich arbeitet der CDU-Chef seit Jahrzehnten darauf hin, Ministerpräsident zu werden. Doch nun, da er kurz vor dem Ziel steht, sinkt seine Landespartei in den Umfragen immer tiefer und landete zuletzt erstmals hinter Linke und AfD.

Attacken auf die Koalition in Berlin noch einmal verschärft

An den mangelnden Bemühungen Mohrings kann es kaum liegen. Obwohl er seine Krebserkrankung erst seit Kurzem offiziell überstanden hat, hat der Vorwahlkampf, der ganz um ihn kreist, längst begonnen. Unter dem Slogan „Auf geht‘s Thüringen“ wandert Mohring, begleitet von einer Kampagne in den sozialen Medien, durch die teils nicht mehr grünen Wälder.

Zuletzt traf er an der Grenze zu Sachsen den ebenfalls wandernden Parteikollegen Michael Kretschmer, mit dem er gerade eine unfreiwillige Schicksalsgemeinschaft bildet. Verliert der Dresdner Regierungschef seine Landtagswahl am 1. September, dürften sich Mohring Aussichten noch stärker eintrüben. Schuld an der Misere, das sagen auch die Meinungsforscher, ist vor allem der Bundestrend. Beide, Mohring wie Kretschmer, haben deshalb ihre Attacken auf die Koalition in Berlin noch einmal verschärft – wobei sie die eigene Partei ausdrücklich in die Kritik einschließen.

Sehr vielen Menschen, sagt Mohring in Blankenhain, fehle inzwischen nicht nur das Vertrauen in die Bundesregierung, sondern in die demokratischen Institutionen insgesamt. Dabei gehe es gar nicht so sehr um den aktuellen Zustand. Vielmehr treibe sie die Sorge um das um, was komme.

Versprechen auf eine eher unsichere Zukunft

„Gefühlt nehmen die Leute wahr, dass sich die Groko nur mit sich selbst beschäftigt“, sagt Mohring. Zuletzt sei die überfällige Entscheidung, den Soli-Zuschlag für 90 Prozent der Steuerzahler abzuschaffen, von der unnötigen und falschen Debatte über die CO2- und die Fleischsteuer überdeckt worden.

Doch es ist nicht nur der Bundestrend. Auch strukturell befindet sich Mohring gegenüber der linken und grünen Konkurrenz im Nachteil. Die Erfahrung ist neu: Es ist der erste Landtagswahlkampf der hiesigen CDU, in dem ihre Nummer 1 nicht aus der Staatskanzlei Wahlkampf macht, mit all den Möglichkeiten, die das Amt bereithält.

Der linke Ministerpräsident vermochte zum Beispiel bis vor Kurzem Bürgerforen unter der Überschrift „Ramelow direkt“ zu veranstalten. Auch wenn Mohring versuchte, dies mit einem eigenen Gesprächsformat zu kontern: Er konnte, im Gegensatz zum Regierungschef, nur Versprechen auf eine eher unsichere Zukunft abgeben.

Daheim, im Weimarer Land, ist es doch am schönsten

Doch Mohring versucht alles. Bis zum 27. Oktober will er alle Wahlkreise abgeklappert haben. Dabei zerfließen die Grenzen zwischen dem Spitzenkandidaten, dem Fraktionsvorsitzenden und dem Parteivorsitzenden zusehends. Zwar darf die Fraktion keine Gelder, die sie für ihre Landtagsarbeit behält, direkt für die Wahlvorbereitungen der Partei verwenden.

Aber natürlich kann keiner Mohring davon abhalten, als Fraktionschef eine journalistische Kaffeefahrt zur Wahl zu veranstalten. In Blankenhain umreißt Mohring den Zeitplan bis zur Wahl, mit Jahresempfang, Programmparteitag, offiziellem Auftakt und so weiter.

Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer, Markus Söder, Jens Spahn und Volker Bouffier sollen unter anderem kommen – und Friedrich Merz gleich mehrfach. Der Mann war schon im Mai für Mohring unterwegs. Damals besuchten der CDU-Landeschef und der Beinahe-CDU-Bundeschef den Unternehmer Grafe im Golfresort. Daheim, im Weimarer Land, ist es doch am schönsten.