Dingelstädt. Ausführliche Informationsveranstaltung der Landespolizeiinspektion im Bürgerhaus. Experte rät Senioren: „Bleiben Sie misstrauisch.“

„Es kann jedem passieren“, sagte Hartmut Speiser gleich zu Beginn der Informationsveranstaltung im Dingelstädter Bürgerhaus. Der Kriminalhauptkommissar arbeitet in der polizeilichen Beratungsstelle der Landespolizeiinspektion Nordhausen und war ins Eichsfeld gekommen, um vorrangig Senioren zu erzählen, wie sie sich vor Trickbetrug schützen können.

Obwohl zum Glück ältere Menschen nicht so oft Opfer von Kriminalität werden, gebe es doch Bereiche und Sachverhalte, in denen sie öfter zum Opfer werden können. Und zwar ganz oft auf der Straße, an der eigenen Haus- oder Wohnungstür und insbesondere am Telefon. Und diese Problematik sei topaktuell. Erst zu Beginn dieses Jahres gab es in Thüringen zwei Wellen von Trickbetrug am Telefon – und zwar in Erfurt und in der Region Nordthüringen.

„Hier im Norden ist es aber mehr im Versuch stecken geblieben“, sagte Hartmut Speiser. „Denn hier sind die zwischenmenschlichen Beziehungen noch besser gepflegt als in der Großstadt.“ Gerade die Anonymität dort komme den zugute. So wurden im Januar und Februar, so der Kriminalhauptkommissar, innerhalb von sechs Wochen 400.000 Euro erbeutet, teilweise 80.000 Euro bei einer Person. „In Europa werden so im Jahr 22 bis 24 Millionen Euro umgesetzt.“

Gut 20 Gäste waren der Einladung der städtischen Bibliothek gefolgt und hörten sich die guten Ratschläge des Polizeibeamten aufmerksam an. Der hatte zuvor extra nicht erwähnt, dass sein „Kurzvortrag“ zwei Stunden umfassen würde, um die Aufmerksamkeit der Bürger zu behalten. Und das gelang ihm mit kurzweiligen Erzählungen und jeder Menge Beispielen aus dem Polizeialltag. Denn auch nach fast 40 Jahren im Polizeidienst stehe für ihn fest: „Es gibt nichts, was es nicht gibt.“

Dazu gehört aber nicht nur der sogenannte Enkeltrick, bei dem sich Trickbetrüger als vermeintliche Verwandte ausgeben und Geld zum Beispiel für eine Anzahlung erbitten. Auch Maschen zum Verkauf angeblich hochwertiger Produkten, Telefonanrufe von vermeintlichen Polizeibeamten oder anderen Behörden oder auch nur der Glas-Wasser- oder der Stift-Trick zählen darunter.

Bei letzterem machte Hartmut Speiser anschaulich klar, wie einfach man doch in die Irre geführt werden kann, wenn jemand vor der Tür steht, sich an die linke Brust fasst und ganz außer Atem um ein Glas Wasser bittet. „Sie wollen natürlich helfen, drehen sich rum, greifen in den Hängeschrank, Wasser auf, zu, drehen sich rum und schon steh ich da, weil es mir schon wieder besser geht. Und hinter mir schauen sich meine Kumpels schon einmal in ihrer Wohnung um.“ Mit der Frage nach einem Stift, um dem Nachbarn eine Nachricht zu hinterlassen, funktioniere das oft genau so.

Deshalb sein Grundsatz: „Kein Unbekannter oder jemand, dem sie nicht vertrauen, hat etwas in ihrer Wohnung zu suchen.“ Vor dem Öffnen der Tür, sollte man wenn möglich den Türspion verwenden oder zur ersten Kontaktaufnahme ein offenes Fenster benutzen.

Pizza und Paket sind die Zauberwörter an der Tür

Denn gerade bei Gemeinschaftseingängen sei es unheimlich einfach, die erste Hürde in Form der Haustür zu überwinden, so Hartmut Speiser. „Pizza oder Paket heißen die Zauberwörter.“ Es sei nicht unhöflich, erst einmal durch die geschlossene Tür zu kommunizieren und zu fragen, wer da ist und was derjenige eigentlich will. Öffnet man dann doch die Tür, bietet sich eine Türkette an, durch die ein Wasserglas oder ein Stift auch gereicht werden kann.

Ein weiterer Tipp: Ausschließlich Handwerker, die man selbst bestellt hat, sollte man in die Wohnung lassen. Hier brachte Hartmut Speiser nicht nur den vielleicht bekannten Trick mit dem Schlüsseldienst ins Gespräch, der ohne Kostenvoranschlag nach zehn Minuten Arbeit eine horrende Summe verlangt. Auch bei Asphaltierern und Dachdeckern, die einfach so an der Tür klingeln, sollte Vorsicht geboten sein.

Ein Beispiel aus dem Eichsfeld machte die Problematik noch deutlicher für die Gäste. Ein 91-Jähriger wurde von zwei Männern aus dem Haus geklingelt, sein Vordach sei kaputt. Einer der beiden hatte schon ein Stück davon in der Hand. Für einen Vorschuss von 6000 Euro wäre das Ganze am nächsten Tag schon erledigt. Der Mann sagte zu, glaubte den Männern und wurde an der Nase herumgeführt. Er brachte den Betrug zur Anzeige. Dazu riet Hartmut Speiser auch allen Betroffenen.

„Bleiben Sie misstrauisch, also behalten sie ein gesundes Misstrauen, nicht zu viel – sonst ist das Verlust der Lebensqualität.“ Die Mehrheit der Menschen sei nämlich ehrlich, höflich und hilfsbereit. Trotzdem sollte man den hilfsbereiten Fremden nicht in die Wohnung bitten und am Telefon keine persönlichen Daten verraten. Und Hartmut Speiser ging da sogar noch weiter: „Melden Sie sich nicht mit ihrem Namen, streichen sie ihren Vornamen aus dem Telefonbuch – er verrät ihr Alter – und vermeiden Sie das Wort Ja am Telefon, wenn Sie nicht wissen, mit wem Sie reden.“ Denn allein aus ein paar Wörtern können Betrüger einen Vertragsabschluss zusammenschneiden.