Mühlhausen. Der Prozess gegen zwei Männer aus der rechtsextremen Szene, die zwei Journalisten angegriffen haben sollen, hat begonnen. Sie schilderten ihre Version - und empörten die Angegriffenen.

Es hat länger als drei Jahre gedauert, bis der Prozess gegen zwei 22 und 27 Jahre alte mutmaßliche Angreifer aus der rechtsextremen Szene gegen zwei Journalisten beginnt. Dann geht es am Dienstag vor der Jugendkammer des Landgerichts Mühlhausen ziemlich schnell. Richterin Andrea Kortus benötigt keine Stunde, die Anwesenheit zu klären und die Personalien der Angeklagten, die Anklageschrift verlesen zu lassen und den Verteidigern die Möglichkeit zu geben, Aussagen ihrer Mandanten vorzutragen. 11.10 Uhr endet der erste Verhandlungstag.

Anklage und Einlassungen der Angeklagten widersprechen sich

Er sei damals in Rage gewesen, weil die Journalisten zuvor Fotos von ihm und dem Haus seiner Familie gemacht hätten, sagte der 22-Jährige. Außerdem hätten sie versucht, ihn mit ihrem Auto zu überfahren, behauptete er. Zudem habe einer der beiden Journalisten mit einem Baseballschläger auf ihn und seinen Begleiter eingeschlagen. Aus Protest gegen diese aus ihrer Sicht wahrheitswidrige Darstellung des Geschehens verließen die beiden Journalisten den Gerichtssaal, in dem sie bis dahin als Nebenkläger anwesend waren.

Mehr als drei Jahre nach dem Überfall auf zwei Journalisten in Fretterode beginnt am Dienstag vor dem Landgericht Mühlhausen der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Angreifer.
Mehr als drei Jahre nach dem Überfall auf zwei Journalisten in Fretterode beginnt am Dienstag vor dem Landgericht Mühlhausen der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Angreifer. © Alexander Volkmann

Was genau am 29. April 2018, Sonntagmittag, in der Eichsfeldgemeinde Fretterode geschah, muss das Gericht ab Donnerstag klären. Denn die Anklage und die vorgetragenen Erklärungen der Angeklagten widersprechen sich gravierend.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten gemeinschaftlich begangene Sachbeschädigung, gefährliche Körperverletzung sowie schweren Raub vor. Die beiden angegriffenen Journalisten – sie treten im Prozess als Nebenkläger auf – befanden sich demnach an besagtem Sonntag auf Recherche in Fretterode (Eichsfeldkreis). Sie sollen vom Auto aus das Anwesen des NPD-Vizeschefs, Thorsten Heise, fotografiert haben.

Angeklagte verfolgten Journalisten mit Auto

Dabei wurden sie vom Grundstück aus bemerkt. Ein junger Mann lief kurz darauf von dort auf das Auto zu. Die Journalisten sollen laut Anklage den Rückwärtsgang eingelegt haben und davongefahren sein. Der Mann folgte ihnen im Auto und nahm dafür noch einen Bekannten mit. Die Ankläger sind überzeugt, dass die Verfolger versucht haben, das Auto der Journalisten abzudrängen. Bei einer Wende landete es im Straßengraben.

Danach erfolgte aus Sicht der Staatsanwaltschaft der eigentliche Angriff. Mit einem großen Schraubenschlüssel, Reizgas, einem Baseballschläger und einem Messer sollen die Verfolger versucht haben, die beiden Männer zu attackieren. Scheiben am Auto gehen zu Bruch, einer der Männer erleidet eine Kopfverletzung, womöglich durcheinen Schlag mit dem Baseball-Schläger, einer eine Stichwunde am Oberschenkel.

Das Auto der Journalisten ist nach der Attacke Schrott. Die mutmaßlichen Angreifer sollen zudem die Fotoausrüstung samt Speicherkarte mitgenommen haben.

Den Raub der Fotoausrüstung weist die Verteidigung zurück. Auch sei kein Messer vorhanden gewesen. Sie seien an diesem Tag die Opfer gewesen, lautet die Botschaft der Angeklagten. Der 22-jährige Hauptangeklagte lässt seinen Anwalt erklären, dass gleich zwei Mal versucht wurde, ihn zu überfahren.

Vorwurf der Täter-Opfer-Umkehr gegen die Verteidigung

Verhandelt wird aus Platzgründen nicht im Gebäude des Landgerichts Mühlhausen, sondern in der unweit gelegenen Veranstaltungsstätte Puschkinhaus.
Verhandelt wird aus Platzgründen nicht im Gebäude des Landgerichts Mühlhausen, sondern in der unweit gelegenen Veranstaltungsstätte Puschkinhaus. © Alexander Volkmann

„Das ist lächerlich“, weist Nebenklageanwalt Sven Adam die Darstellungen der Verteidiger zurück. Das seien reine Schutzbehauptungen. Es habe damals nicht einmal Anzeigen gegen seinen Mandanten wegen der nun vor Gericht behaupteten Tötungsversuche gegeben.

Von einem schamlosen Versuch der Täter-Opfer-Umkehr spricht die Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuss. „Nicht nur, dass die Neonazis in ihren Einlassungen versuchten, den Journalisten ihre Journalistentätigkeit abzuerkennen, sie diffamierten beide mehrfach als angebliche Täter.“ Vor Gericht hatten sich am Dienstag knapp 100 Demonstranten eingefunden. Ihr Protest blieb friedlich.

Die beiden Angeklagten dürfen schon jetzt auf Strafmilderung wegen der Verzögerungen im Verfahren hoffen. Zu denen war es unter anderem wegen eines Richterwechsel an der Spitze der Jugendkammer des Landgerichts Mühlhausen sowie der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie gekommen.

Die Opfer, die im Prozess als Nebenkläger auftreten, verließen den Saal, als der Anwalt des jüngeren Angeklagten dessen Erklärung verlas.
Die Opfer, die im Prozess als Nebenkläger auftreten, verließen den Saal, als der Anwalt des jüngeren Angeklagten dessen Erklärung verlas. © Alexander Volkmann

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