Krämpfervorstadt. Auf den Spuren von Bauhaus-Anhängern mit Stadtführer Richard Schaefer durch Erfurt.

Wie ein Aufschrei ging es Mitte der 1920-er Jahre durch Erfurt: „Jetzt kommen die Norddeutschen und verklinkern die ganze Stadt.“ Gemeint waren Entwürfe für massenhaft nötige Sozialwohnungen, wie sie Otto Jacobsen und Karl Schneider vorlegten, die zu jener Zeit von Hamburg nach Erfurt geholt worden waren.

Die Vorbehalte waren nicht unbegründet, entstand doch 1864 auf der grünen Wiese das einstige backsteinerne Malzwerk in der Krämpfervorstadt, das eher einen düsteren Eindruck hinterließ. Doch die Architekten überzeugten als Anhänger des Bauhauses auch den letzten Zweifler, wie Richard Schaefer bei einem Rundgang durch die Oststadt am Sonntag erläuterte. Am Beispiel des Flensburger Blocks, 1928 auf dem Reißbrett von Otto Jacobsen geplant und bereits 1929 bezugsfertig, ging der Stadtführer auf Einzelheiten ein. Dazu zählten sparsame Klinker-Umrahmungen von Haustüren und kleinteiligen Fenstern, niedrige Klinkermauern um die Vorgärten, auflockernd wirkende Vorsprünge an der Fassade. Mit seinen 24 zusammenhängenden Häusern mit je acht Wohnungen habe der Architekt des Neuen Bauens ein in dieser Form einmaliges Ensemble geschaffen, so Richard Schaefer.

Ergänzt wurden die Wohnungen durch Balkons, die den Blick auf den grünen Innenhof freigeben. Eine Besonderheit, die auch auf den Hamburger Block (ebenfalls innerhalb eines Jahres 1929/1930 errichtet) mit seinen innen liegenden Laubengängen und den Hanseblock an der Eugen-Richter-Straße zutrafen, wollte der Stadtführer unbedingt erwähnt wissen: Die Gebäude wurden jeweils durch ein eigenes Heizwerk auf dem Hof mit Warmwasser und Wärme versorgt. Davon zeugen noch die Reste der stillgelegten Schornsteine. Während des Zweiten Weltkrieges sei dieses moderne System wegen fehlenden Kohle-Nachschubs allerdings zusammengebrochen. Eine Lösung bildete die Ausstattung eines Raumes in jeder Wohnung mit einem kleinen Kanonenofen. Der Rauch zog über einen Schlot ab, für den ein Durchbruch durch das Fenster geschaffen wurde. Das müsse sehr ulkig ausgesehen haben, so der Stadtführer. Karl Schneiders Bau des Hanseblocks an der Eugen-Richter-Straße sei damals von den Nazis schon bald als „kulturbolschewistisch“ und „zu jüdisch“ verdammt worden. Die Folge war, dass er keine Aufträge mehr erhielt. Er emigrierte mit seiner Frau, einer Halbjüdin, in die USA und wurde dort vor allem als Designer bekannt. Otto Jacobsen habe sich bereits zwischen 1925 und 1927 einen Namen in der Stadt durch die Pläne für das später nach ihm benannte Wohnviertel in Ilversgehofen gemacht, ergänzte Richard Schaefer. Das jedoch seine eine eigene Geschichte.