Erfurt. Bei einer Podiumsdiskussion vor über 200 Besuchern prallen die Meinungen aufeinander. Bewegung ist nicht in Sicht.

Der auf dem Petersberg geplante Bastionskronenpfad ist zu einer Glaubensfrage geworden, und seinen Glauben ändert kein Mensch so leicht. Das hat sich bei einer vom Gartenamt initiierten Podiumsdiskussion am Donnerstagabend im Haus der sozialen Dienste bestätigt. Als der Moderartor Daniel Baumbach am Ende der Veranstaltung fragte, wer nach der zweieinhalbstündigen Diskussion seine Meinung geändert habe, hoben nur zwei der über 200 Besucher ihre Hände.

Laut einer Probeabstimmung vor der Diskussion hielten sich Befürworter und Gegner in etwa die Waage. Die Reaktionen zeigten aber, dass die Gegner des Pfades emotionaler waren: Sie applaudierten lauter und länger.

Dabei hatte die Stadtverwaltung hatte keine Kosten und Mühen gescheut, Überzeugungsarbeit zu leisten. Ein Werbefilmchen mit hübschen Drohnenaufnahmen leitete den Abend ein, und während das Podium wie zugesichert paritätisch besetzt war, genossen die Befürworter noch reichlich Unterstützung aus der ersten Publikumsreihe, in der Amtsleiter, Vertreter von Interessengruppen und ein Pflanzenexperte der FH saßen.

Bäume fallen als Signal hinsichtlich des Klimawandels?

Immer wieder stießen die beiden Glaubensrichtungen unvereinbar aufeinander. „Um uns herum sterben Bäume ab, selbst in der Arktis gibt es Waldbrände“, sagte zum Beispiel Christine Beckert von der Bürgerinitiative (BI) „Stadtbäume statt Leerräume“. „Und wir unterhalten uns, ob wir für einen Bastionskronenpfad Bäume fällen - welche Signale senden wir hinsichtlich des Klimawandels aus?“

Mit Unterstützung des Pflanzen-Professors von der FH, der in gezielten Nachpflanzungen die beste Chance sah, den Wald zu entwickeln und ökologisch aufzuwerten, hielt Buga-Dezernent Alexander Hilge (SPD) dagegen. „Wir sind sicher, dass es für den Wald besser ist“, verteidigte er die Pläne und die Ausgleichsmaßnahmen. Kämen der Bastionskronenpfad und die Fördermittel nicht, bleibe der Wald hingegen weiter seinem traurigen Selbst überlassen.

„Es heißt Ausgleichsmaßnahmen, aber es ist kein Ausgleich“, konterte wiederum Yvonne Schneemann vom Nabu. „Es ist wohl das erste Mal, das ein Wald geschützt werden soll, indem man Bäume fällt“, meinte die BUND-Vertreterin Alexandra Schubert.

Der touristische Wert war gleichermaßen umstritten. Die Befürworter, neben Hilge auch die Tourismuschefin Carmen Hildebrandt und Tourismusvereins-Chef Karl-Heinz Kindervater, sehen in dem Höhenrundweg das Element, das die künftige Petersberg-Welt im Innersten zusammenhält.

Nur mit einem attraktiven Rundweg könnten die bislang kaum beachteten Stationen wie die Geschützkaponiere an der Festwiese ins rechte Licht gerückt werden. Um den Tourismus weiter zu entwickeln, brauche es solche neuen Anreize, sagte Carmen Hildebrandt. „Wir brauchen Wiederholungsbesucher“, betonte sie, während Karl-Hein Kindervater auf die 20.000 Erfurter hinwies, die vom Tourismus leben.

Für Alexandra Schubert vom BUND stehen die Bedürfnisse der Erfurter vor den Ansprüchen der Touristen. „Und die Erfurter wollen, dass die Grünflächen und der Baumbestand geschützt werden“, sagte sie.

Applaus für Naturschützerinnen

Christine Beckert nannte den Bastionskronenpfad eine „Scheinattraktion“. Der Applaus für die Naturschützerinnen deutete an, dass es vielen Besuchern wohl um mehr ging als um den Höhenweg: In Erfurt grassiert die Buga-Skepsis.

Dezernent Hilge, der mehrmals das Wort „Dilemma“ benutzte, verkörperte die Ratlosigkeit der Stadtverwaltung. Jahrelang sei sie dafür kritisiert worden, dass auf dem Petersberg nichts passiert, sagte er. Nun setze man ein Projekt um, das als ein Ergebnis von Bürgerbeteiligung 2017 vom Stadtrat beschlossen wurde, und beziehe wieder Prügel. Entwicklungen seien nun mal mit Veränderungen verbunden. „Es soll sich dann keiner aufregen, wenn wieder nichts passiert“, sagte er.

Die BI betonte hingegen, nicht gegen einen Rundweg zu sein. Ihr Gegenvorschlag, für den Abschnitt durch den Wald einen Fußweg am Rand des Wäldchens zu nutzen, erhielt viel Applaus vom Publikum, aber vernichtende Kritiken von den Tourismus-Experten.

Kompromiss scheint aussichtslos

Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) mischte sich nur einmal in die Diskussion. Ein Bürger hatte der Stadt vorgeworfen, nicht genug über die Buga-Pläne informiert zu haben. „Wir reden oft zu wenig mit den Leuten, das stimmt“, sagte Bausewein. „Aber bei der Buga trifft das definitiv nicht zu“, sagte er und erinnerte an Buga-Dialoge, Sprechstunden und Foren.

Wie geht es nun weiter? Ein Kompromiss scheint aussichtslos. Für eine verlässliche Erfassung der Mehrheitsmeinung in Erfurt fehlt wohl die Zeit.

Und so wird der Höhenweg angesichts eines Bürgerbegehrens gegen die Baumfällungen wohl nicht so gebaut wie geplant. Ob eine Mini-Version den Petersberg dennoch aufwertet oder eher Gelverschwendung wäre, ist - eine Glaubensfrage.

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