Erfurt. Der Geschichtenerzähler Andreas vom Rothenbarth rettet die Tradition des Erfurter Märchenwaldes.

Einsam steht die Pyramide an der bekannten Stelle. Dahinter der Weihnachtsbaum. Doch keine Bude, kein Bratwurst- oder Glühweinstand weit und breit. Heute sollte der 170. Erfurter Weihnachtsmarkt eröffnet werden. Stattdessen gehen einzig die Lichter an Baum und Pyramide an. Wird das reichen, um wenigstens einen Hauch von Weihnachtsmarktstimmung auf den Domplatz zu zaubern? Es muss, denn selbst der Märchenwald wird – wie nun zu sehen ist – entgegen erster Überlegungen nicht aufgebaut. Damit wird wegen der – absehbar noch strengeren – Corona-Einschränkungen eine zweite lange Tradition unterbrochen. Seit 1958 gehört der Märchenwald, mit den liebevoll gestalteten Märchenszenen von Hanne Reichenbach und Kurt Buchspieß (der in diesem Jahr hochbetagt verstorben ist) als Magnet für Kinder, Eltern und Großeltern dazu; heutige Großeltern haben sich schon als Kinder am Märchenwald erfreut.

Wen das, neben den Kindern und Familien, die einen Adventsspaziergang zum Domplatz eingeplant hatten, besonders schmerzt, ist der Erfurter Märchenerzähler Andreas von Rothenbarth, der seit 1994 wie der Wolf oder der Froschkönig zum Märchenwald dazu gehört und seitdem tausenden Zuhörern die Märchen zum Leben erweckt hatte.

„Vor 15 oder mehr Jahren musste ich überraschend im Dezember ins Krankenhaus, habe mich aber am dritten Tag selbst entlassen, weil ich ohne den Märchenwald und die Zuhörer nicht gesund werden konnte“, so Rothenbarth, der inzwischen grau geworden ist, und sich noch nicht vorstellen mag, wie eine Adventszeit ohne Publikum aussieht.

Viele Zuhörer kommen jedes Jahr wieder, um eine Zauberperle, oder ein Zwisselchen Rapunzeln aus dem Märchenland zu ergattern. In diesem Jahr ist alles anders, und Rothenbarth, der als freier Künstler plötzlich sehr viel Zeit hat, hat Abhilfe gefunden, und einen „Märchenwald für zu Hause“ entwickelt.

„Ich habe meine liebsten Weihnachtsmarkt-Märchen neu aufgenommen, in der besonderen Art, die ich nur im Erfurter Märchenwald erzähle, und auf CD gebracht. Dazu habe ich eine Weihnachts-Edition an Zauberperlen aufgelegt, die ich der CD beilege. Nur die Rapunzeln kann ich nicht frisch dazugeben, aber dafür habe ich winzige Tütchen mit Rapunzelsamen gepackt, die die Kinder zu Hause selbst aussäen können. So können sie in ca. sechs Wochen eigene Rapunzeln ernten, und damit etwas für guten Haar- oder Bartwuchs tun. Bei mir jedenfalls hat es geklappt“, sagt der Märchenerzähler und verweist auf seinen stattlichen Haarschmuck.

Dass nun die Märchen zu Hause gehört werden können, folgt nun tatsächlich den Argumenten des Gesundheitsamtes, den Märchenwald im Depot zu lassen. Denn, so war am Montag noch einmal aus dem Rathaus zu erfahren, die Befürchtung, dass sich vielleicht Kinder und Eltern vor den einzelnen Schaubildern drängen, ohne Abstand zu halten, habe Gesundheitsamtsleiterin Winnie Melzer die Entscheidung treffen lassen.

Floraler Schmuck zur Weihnachtszeit scheint offenbar nicht so groß die Gefahr hervorzurufen. Denn, musste zwar die Schau „Florales zur Weihnachtszeit“ im historischen Felsenkeller des Erfurter Dombergs auch abgesagt werden, so gibt es doch ein paar Varianten floralen Weihnachtsschmucks in einem Container mit Glaswand zu sehen. Ganz zu verzichten, das ging wenige Monate vor Beginn der Bundesgartenschau wohl nicht.

Zurück aber zu den Märchen. Wer sich die CD „Märchen vom Erfurter Weihnachtsmarkt mit Andreas vom Rothenbarth“ nach Hause holen mag: Sie ist ab heute in einer handgefertigten Kleinauflage erhältlich – inklusive einer Zauberperle in Weihnachtsedition und einer kleinen Tüte Rapunzelsamen.

andreas@rothenbarth.de