Altstadt. Mit Anette Seibt vom Erfurter Theatersommer lässt sich das Wahrzeichen der Stadt in einer unterhaltsamen Stadtführung im Sitzen kennenlernen

Hinter den Klappen des großen Kastens verbergen sich ganze Welten: Ein Kramladen ist darin zu finden, die Gera fließt dahin in braunen Wellen, wenn an der Kurbel gedreht wird, und schließlich wachsen daraus die Fassaden der Häuser, die auf der Krämerbrücke stehen. Einmal mehr steckt die Liebe im Detail für die neue Inszenierung des Erfurter Theatersommers, die am Donnerstag in der Ägidienkirche ihre Premiere erlebt: „Unsere Krämerbrücke oder Wer hat den Bogen überspannt?“ lautet der Titel der „Stadtführung im Sitzen“, gespielt von Annette Seibt, die dem magischen Kasten, vor allem aber der Krämerbrücke manches Geheimnis entlockt.

Recherche im Archiv und den Brückenhäusern

Tief eingetaucht ist Annette Seibt in die Geschichte des Erfurter Wahrzeichens, hat sich von Antje Bauer, Leiterin des Stadtarchivs in alte Schriften einweisen lassen und vom Pfarrer Sebastian Ringeis mit historischen Fakten überhäufen. „Es war fantastisch“, blickt Annette Seibt auf ihre viel Freude machende Recherche zurück. „Alle haben sich rührend um mich gekümmert“, sagt die Darstellerin, die in die Rolle der Stadtführerin Maria Popinski schlüpfen wird. Entstanden ist eine etwa einstündige Liebeserklärung an die Krämerbrücke, die in der Mythologie weit vor ihrem Bau beginnt, die diverse Brände, den Wiederaufbau, eine Phase der Abrisspläne streift und im Heute endet.

Ob für Luther, Gloriosa oder Faust: Immer hat Annette Seibt für ihre Rollen den Lokalkolorit gesucht und sich nun an die Krämerbrücke als authentischen Ort ihrer Geschichten und der Geschichte gewagt. Der Spielort war in der Ägidienkirche schnell gefunden, hier habe sie sich willkommen gesehen. Nun ist es erklärtes Ziel von Annette Seibt, dass ihre Zuschauer nach der Vorstellung die leere Krämerbrücke betreten – „mit einem Seufzer der Begeisterung“ über das schöne Bauwerk und das soeben spielerisch erlebte.

Zur Premiere werden sie alle erwartet: die Bewohner der Krämerbrücke. Seit jeher ein ganz besonderer Menschenschlag, der gemeinsam ein Dorf in der Stadt bildet, einen ganz eigenen Kosmos. Auch darin hat sich Annette Seibt mit ihrer Ausstatterin Coco Ruch versenkt: Sie haben Essen gekocht, die Bewohner besucht und über Gott, die Welt und die Krämerbrücke geplaudert. „Um ein Gefühl zu bekommen für diesen besonderen Ort“, wie Annette Seibt sagt.

„Wie enn?“ – „Muss ja“ werden sich zwei weitere Charaktere, die beiden Krämerbrückenhändlerinnen im Stück begrüßen: Zwei schrullige Alte sind beide Puppen, die all die Jahre auf der Krämerbrücke leben, plappern und nölen, je nach Jahrhundert mit einer unterschiedlichen Schürze vor dem Bauch. „Irgendwie“, so hat Annette Seibt bei ihrer Recherche festgestellt, war die Brücke mit ihren Bewohnern immer besonders. Kaum mehr vorstellbar, wie eng beieinander die Familien einst auf der Brücke gelebt haben. Und doch waren sie in all den Jahrhunderten gleich: Immer sei ihr größtes Interesse ein schönes, geliebtes Leben gewesen, sagt Annette Seibt.

Ihr Stück richtet sich an Touristen wie Einheimische gleichermaßen, verdient laut Regisseur Harald Richter das Etikett „Infotainment“ und bietet in den Kirchenbänken jeweils Platz für 120 Besucher. Zum Eintritt gibt es einen wunderbaren Faltplan, gestaltet von Coco Ruch, er zeigt die Häuser der Brücke und deren Hauszeichen. Und bietet Rabattgutscheine – auch wenn das Blatt eigentlich zu schade dazu ist – zum Ausschneiden: „Um die Krämer zu besuchen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, verspricht sich Annette Seibt davon, dass auch ihr Publikum eintaucht in den Kosmos Krämerbrücke.