Erfurt. Mehrere 100 Fälle von gestorbenen Menschen ohne Angehörige gibt es jährlich in Thüringen. Die Kommunen bleiben oft auf den Bestattungskosten sitzen, leiten manchmal aber auch Bußgeldverfahren ein.

Der Tod von Menschen ohne Angehörige ist auch für Thüringer Ordnungsämter immer wieder ein Thema. Eine Umfrage unter neun Städten ergab, dass deren Behörden mittlerweile teils einen enormen Aufwand betreiben, um zur Bestattung rechtlich verpflichtete Angehörige zu finden. Gera zählte demnach im vergangenen Jahr 127 solcher Fälle, Erfurt 95, Jena 75. Aber auch in Gotha (54), Weimar (51), Eisenach (41), Suhl (37), Mühlhausen (35) und Nordhausen (33) hatten die Ämter damit zu tun.

Um die gesetzliche Bestattungsfrist von zehn Tagen einzuhalten, müssen Kommunen etwa in Vorleistungen gehen. „Im Vorjahr waren das 20.000 Euro für acht einsam Verstorbene“, sagte Maik Märtin, Sprecher der Stadt Gotha. Mit 54 solcher Sterbefälle musste sich das Ordnungsamt befassen. In drei Fällen konnten die Kosten von der Nachlasspflege des Amtsgerichtes übernommen werden.

In Gera musste im vergangenen Jahr 127 Mal nach Angehörigen von Verstorbenen gesucht werden. „In 55 Fällen musste die Stadtverwaltung sich um die Beerdigung kümmern“, sagte Stadtsprecherin Melanie Sie­belist. In davon sieben Fällen sei ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden, weil sich Angehörige hätten kümmern müssen.

In der Stadt Weimar haben sich 2018 neun Angehörige ihrer Bestattungspflicht vollkommen entzogen. „Deshalb musste sich die Stadt in diesen Fällen selbst kümmern“, sagte Sprecherin Mandy Plickert. In weiteren 28 Fällen konnten Angehörige nicht rechtzeitig gefunden werden, weswegen die Stadt in Vorleistungen gehen musste. Vier Bußgeldverfahren wurden gegen Angehörige eingeleitet.

In Jena konnten im Vorjahr bei 44 der zunächst 75 entsprechenden Fälle doch noch Angehörige ermittelt werden. „In zwei Fällen haben die Angehörigen nicht auf unsere Anschreiben reagiert“, sagte Stadtsprecherin Roswitha Putz. In drei weiteren Fällen seien zwar die Hinterbliebenen, aber nicht deren Adressen ermittelt worden. 26 Verstorbene hatten keine Angehörigen mehr.

Damit die „einsam Verstorbenen“ nicht vergessen werden, hat Suhl im Vorjahr erstmals eine Gedenkfeier in der Hauptkirche organisiert. Das sei eine Wertschätzung gegenüber diesen Menschen, hieß es.

In Nordhausen konnten vergangenes Jahr in 23 von 33 zunächst ungeklärten Fällen doch noch für die Bestattung verantwortliche Angehörige ermittelt werden. „Acht Klärungsversuche blieben erfolglos“, sagte Stadtsprecher Lutz Fischer. In zwei weiteren Fällen bestreiten die Hinterbliebenen eine Bestattungspflicht. Der Ermittlungsaufwand sei in den meisten Fällen enorm.

In Eisenach waren bis Jahresende 2018 zunächst 41 Fälle ungeklärt. Bei zehn Verstorbenen fanden sich Angehörige, informiert Sprecherin Janina Walter. Bei allen anderen Bestattungen sei die Stadt in Vorleistung gegangen und hoffe, dass die Kosten nachträglich von Erben, Nachlassgerichten oder dem Sozialamt beglichen werden.

Im Erfurter Rathaus wurden im Vorjahr 95 Bestattungen veranlasst. In 47 Fällen davon konnten innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zehn-Tage-Frist Angehörige gefunden werden. Allerdings kamen sie ihrer Bestattungspflicht nicht nach. In weiteren 48 Fällen konnten die Hinterbliebenen nicht rechtzeitig ausfindig gemacht werden.

Die Recherchen der Behörden gehen auch über die Landesgrenzen hinaus: Ein Verstorbener aus Gotha wurde nach Polen überführt und dort von den Angehörigen bestattet. Auch Ermittlungen im Mühlhäuser Rathaus führten in dieses Nachbarland, wo ein Kind des Toten lebt.

Selten befassen sich Bußgeldrichter mit den Fällen. In Gera wurden sieben Verfahren, in Weimar vier, in Mühlhausen eines eingeleitet. „So ein Bußgeldverfahren ist oft nicht zielführend und kann selten vollstreckt werden“, sagte Janina Walter in Eisenach.

So hatte vor einiger Zeit ein Mühlhäuser Rentner seinen toten Bruder weder einäschern noch bestatten lassen. Die Stadt wollte gerichtlich die Kosten von 2400 Euro eintreiben. Der zuständige Richter bestätigte das schuldhafte Verhalten des Mannes. Er verringerte aber das Bußgeld deutlich, weil der Rentner den ursprünglichen Betrag nicht zahlen konnte.