Erfurt. Kunsthalle stellt den Erfurter Künstler und dessen Gang vor. Aus dem Zughafen fast aufs Rammstein-Cover

Von seiner kurzen Phase als Graffiti-Sprayer in den Straßen von Erfurt dürften die letzten Spuren längst verschwunden sein. Geblieben ist Marc Jung die Erinnerung ans Erwischt-Werden. Daran, dass seine ebenfalls gestellte Freundin Sozialstunden abzuleisten hatte, während sich für ihn aus dieser Aktion der Auftrag einer Wohnungsbaugesellschaft ergab, einen Durchgang künstlerisch zu gestalten...

Nun, Jahre später, drückt sich Marc Jung noch immer mit der Spraydose aus – zu sehen sind seine meist großformatigen Werke mit aggressiven Gesten, grellen Farben und harten Kontrasten aber in der Kunsthalle Erfurt. Am Samstag, 9. November, eröffnet dort die Schau „Aggroschaft – Marc Jung & The Gang“, begleitet von Wodka, durch den Raum wabernden Beats und manchem Jung-Bild, dessen Farbe dann noch nicht ganz trocken sein wird.

Die vier Künstler aus Jungs Gang sind Benedikt Braun, Till Lindemann, Moritz Schleime und Ulrike Theusner, die sich Jung als Mitkünstler eingeladen hat, die Räume der Kunsthalle mit ihrer Kunst zu bespielen. Alle außer dem Rammstein-Frontmann Lindemann werden zur Vernissage erwartet. Braun und Theusner sind wie Jung Absolventen der Bauhaus-Uni in Weimar. Maler-Vorbild Moritz Schlemme ist ein Freund, zu Lindemann besteht laut Jung schon länger Kontakt. Im Auftrag der Rammstein-Plattenfirma hatte Jung das letzte Cover der Band gestalten sollen. Einen Auftrag, den Jung erst für eine Fake-Mail gehalten hat: „Ich konnte es erst gar nicht glauben“. Die Entscheidung sei schließlich für ein konservatives Cover und gegen seinen Entwurf gefallen, der Kontakt aber geblieben. Und obwohl die Viva-con-Agua-Serie mit von Jung übermalten Porträts von Prominenten eigentlich abgeschlossen ist, wird Jung auf großen Wunsch von Lindemann auch den Rammstein-Sänger noch aufnehmen. Lindemann steuert unter anderem Installationen von Tierskeletten und Dildos bei, die wohl eher in Provokation des Dargestellten und der Prominenz des Sängers, als durch künstlerischen Anspruch glänzen.

Für Marc Jung, der ein Atelier im Erfurter Zughafen und eins in Berlin hat, ist die Kunsthalle quasi ein Heimspiel. Nach und nach hat er sich über Ausstellungen im Krönbacken und im Kunsthaus hierher „vergrößert“. „Es ist mir eine wirklich sehr große Ehre“, sagt Jung zur Einladung von Kai-Uwe Schierz, die Kunsthalle als Kurator einer eigenen Ausstellung bespielen zu können. Schierz begleitet den künstlerischen Weg von Jung schon lang. Er nennt ihn einen „jungen Wilden“, der die Provokation nutzt und das anarchische Moment. Vor allem aber sei Jung ein politischer Mensch, was ihm gut gefalle.

Schon im Eingangsbereich der Kunsthalle hängt ein Riesenwerk von Jung, auf dem eine Abendmahlsszene zu sehen ist, bei der US-Präsident Donald Trump Blut zu spucken scheint und ein Hitler in brauner Uniform am Boden liegt – ein AfD-Symbol an Stelle des Hakenkreuzes auf der Armbinde. Die Ausstellungswand gegenüber ist noch nicht fertig. Hier, Jung hat das Konzept auf dem Handy parat, werden er als Ringer zu sehen sein und auch Thüringens AfD-Chef Björn Höcke als Figur, die auf einem Karnevalswagen beim Festumzug dabei war. Doch das Werk ist erst im Entstehen, kann sich noch wandeln und ändern.

Marc Jung studierte 2006 bis 2011 an der Bauhaus-Uni Weimar Freie Kunst. So erklärt sich die Ausstellung als Teil der Reihe „100 Jahre Bauhaus“.

Danach war Marc Jung Meisterschüler an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Seinen Stil bezeichnet er selbst als „figurativen, postabstrakten Expressionismus“. Geprägt hat ihn nach eigenem Bekunden das Musiker-Umfeld im Zughafen ebenso wie der Kontakt zum Independent-Label AggroBerlin, aus dem später Rapper wie Sido, Bushido und Fler hervorgingen.

Vernissage „Marc Jung & The Gang“ am Samstag, 9. November, 18 Uhr. Die Ausstellung ist bis zum 26. Januar 2020 zu sehen.