Gotha. Historiker Joachim Käppner liest im Gothaer Tivoli aus seinem Buch zur Novemberrevolution

Novemberrevolution und SPD, das war für den jungen Studenten Joachim Käppner an der Bonner Uni schon mal ein Thema. „Mein Professor, ein ebenso beeindruckender wie konservativer Mann, ließ mich eine Arbeit zum Thema schreiben, die ich dann für mich mit sehr linken Ansichten füllte“, erinnert sich der Autor. Der Professor befand sie als sehr erstaunlich, aber auch ausbaufähig. „Und ich sagte mir, eines fernen Tages, tust du genau das.“ 100 Jahre Novemberrevolution 1918 bot sich dazu förmlich an.

Sein Buch „1918. Aufstand für die Freiheit. Die Revolution der Besonnenen“ stellte Käppner am Dienstag im Gothaer Tivoli vor. Ein Denkmal sollte das Buch werden, für eine vergessene und verkannte Revolution. Das ist Käppner gelungen. In akribischer Archivarbeit förderte er Geschichten zutage, die das Bild einer vielschichtigen Zeit zeigen. Und die Namen wie Hugo Haase, Emil Barth, Otto Braun, Richard Müller und anderer ins Licht der Geschichte rückten.

Aus Referenz für seine Gastgeber begann die Lesung mit einem Kapitel, das Gotha in den Fokus stellt. Hier gründete sich im Saal des Volkshauses zum Mohren im April 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). Und zeigt das Dilemma einer SPD auf, die durch den Krieg tief zerrissen war. In einem anderen Land wäre aus dieser Revolution ein Mythos entstanden, eine Gründungsgeschichte mit all ihren Narrativen, ist sich der Autor gewiss. In Deutschland starb die anfangs so grandios gewonnene Freiheit nur wenig mehr als ein Jahrzehnt später.

Das Buch ist eine Suche nach den Gründen. Reichspräsident Friedrich Ebert, so Käppner, sei in der jungen Republik der falsche Mann am falschen Platz gewesen. Einer, der das Werk der Revolutionäre fortsetzen sollte und es nicht konnte, weil es ihm unheimlich blieb.

Autor macht die Angst der Regierung greifbar

Deshalb und aus Angst vor Bürgerkriegsverhältnissen wie in der Sowjetunion nahm der Sozialdemokrat Ebert das Angebot der Heeresleitung an, schmiedete mit ihr ein Bündnis, anstatt die Eliten zu entmachten. Dabei wiederholt Käppner nicht den Begriff des Verrats, sondern zeigt, was zum zaghaften bis widersinnigen Verhalten in der kurzen Zeit führt, da aus der Novemberrevolution mehr hätte werden können als die instabile Weimarer Republik.

Käppner macht die Angst der Regierung vor den Soldaten greifbar, die zu ihrem Schutz angetreten sind. Er dokumentiert aber auch, dass die allermeisten der Soldatenräte keine bolschewistischen Verhältnisse wollten. Die in den Hamburger Punkten des Reichsrätekongresses erhobene Forderung, gegen ein Heer und für eine Volkswehr, hätte dem Geschehen eine andere Richtung gegeben. Trotz alledem: Das Buch ist eine Hommage an eine Revolution, die im Scheitern auch ein Glanzpunkt der Freiheitsbewegung ist.