Weimar. Boris Romantschenko hat vier Konzentrationslager überlebt. Nun wurde er nach Angaben der Gedenkstätte Buchenwald bei einem Bombenangriff in der Ukraine getötet.

Der Tod des Buchenwald-Überlebenden Boris Romantschenko bei einem Bombenangriff in der Ukraine hat in Thüringen Bestürzung ausgelöst. "Die Nationalsozialisten haben es nicht geschafft, diesen großen Menschen zu brechen, ihn zu töten – sehr wohl aber das System Putin mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine", sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Montag. Der Tod des 96-jährigen Überlebenden mehrerer Konzentrationslager mache ihn fassungslos und lasse ihn entsetzt zurück.

Romantschenko war nach Angaben der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora am Freitag bei einem Bombenangriff auf sein Wohnhaus im ostukrainischen Charkiw ums Leben gekommen. Ein Geschoss habe das mehrstöckige Haus getroffen, seine Wohnung sei ausgebrannt. Romantschenko habe seine Wohnung seit Monaten nicht verlassen - aus Angst, sich mit Corona anzustecken, sagte Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner. Wagner berief sich auf Informationen eines langjährigen Vertrauten der Stiftung in Charkiw.

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Zwangsarbeit unter Tage

"Wir trauern um einen engen Freund", hieß es in einer Mitteilung der Gedenkstätte. Romantschenko habe die KZs Buchenwald, Peenemünde, Dora und Bergen-Belsen überlebt. Im Jahr 1942 sei er nach Dortmund verschleppt worden, wo er unter Tage Zwangsarbeit habe leisten müssen. Er habe versucht zu fliehen, sei aber aufgegriffen und im Oktober 1943 ins KZ Buchenwald eingewiesen worden. In Peenemünde habe er später auch an Raketen mitbauen müssen.

Romantschenko habe sich später intensiv für die Erinnerung an die NS-Verbrechen eingesetzt. Er sei Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora gewesen. Seit den 1990er Jahren sei er regelmäßig zu Veranstaltungen auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers bei Weimar gekommen, sagte Wagner. Unter anderem hatte er am 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers am 12. April 2015 den Schwur von Buchenwald in russischer Sprache erneuert.

Am Dienstagabend soll bei einer Gedenkveranstaltung in der Nähe des Landesverwaltungsamtes in Weimar an Romantschenko erinnert werden. Dort steht ein großes Porträt von ihm als Teil der "Zeugen"-Ausstellung, bei der Fotografien von Buchenwald-Überlebenden ins Weimarer Stadtbild integriert wurden. Neben Ministerpräsident Ramelow und Gedenkstättenleiter Wagner will dort unter anderem der Intendant der jüdisch geprägten Achava Festspiele, Martin Kranz, reden.

"Der entsetzliche Tod von Boris Romantschenko zeigt, wie bedrohlich der Krieg in der Ukraine auch für die KZ-Überlebenden ist", hieß es in der Mitteilung der Gedenkstätte weiter. Gemeinsam mit 30 anderen Gedenkstätten habe die Stiftung ein Hilfsnetzwerk für ehemalige NS-Verfolgte in der Ukraine gegründet. Mit Spendengeldern sollen Medikamente und Lebensmittel organisiert werden, außerdem sollen geflüchtete KZ-Überlebende von der ukrainischen Grenze abgeholt werden können.

Gedenkstättenleiter Wagner hatte sich schon zu Beginn des Krieges in der Ukraine besorgt um die dort lebenden KZ-Überlebenden gezeigt. Es sei "besonders tragisch für die ukrainischen KZ-Überlebenden, die mit den russischen Häftlingen in den Lagern gelitten haben, und die nun im Luftschutzkeller sitzen und von russischen Bomben mit dem Leben bedroht werden", hatte er gesagt.

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