Fröttstädt. Erstmals dabei und gleich obenauf: Wie Frank Rothe und Katrin Grieger beim Fröttstädter 100-km-Lauf ihre eigenen Erfolgsgeschichten schrieben.

Die Nacht hätte gern länger sein dürfen, ja sollen. Vielleicht zwei Stunden Schlaf, viel mehr ließ die innere Unruhe nicht zu. Dann setzte sich Frank Rothe ins Auto, fuhr von Saalfeld nach Fröttstädt und lief im Dunkeln bei kühlen zwölf Grad los. Gemütlich, irgendwo in der Traube aus knapp 200 Ultraläufern, die sich 4 Uhr mit ihren Stirnlampen aufmachten. Als er gut acht Stunden später wieder auf das Sportplatzgelände an der Hörsel lief, war von seinen nächtlichen Begleitern meilenweit keiner zu sehen.

Schweißgebadet bei nun bereits 28 Grad? Schwer atmend? Fertig? Fehlanzeige. Die Arme breit ausgestreckt, legte Rothe am Samstag ei­nen Schritt durchs Ziel hin, als hätte er vor der aufkommenden Mittagshitze einen 10-km-Trainingslauf absolviert. Nur lag das Zehnfache an Strecke hinter ihm, mit über 2000 Höhenmetern.

„Es war hart, wirklich hart, anders kann man es nicht sagen“, sagte der 44-Jährige und widersprach damit der Annahme, dass ihm die Mammutrunde über den Großen Inselsberg kaum etwas ausgemacht hätte. Bis Kilometer siebzig sei alles normal gegangen, aber dann kamen die Schmerzen, berichtete der Saalfelder und schaute wie zum Beleg auf seine Uhr. Fünf Minuten pro Kilometer zeigte diese an. Eigentlich wollte er etwas schneller sein.

Bis auf das Quartett des Rennsteiglaufvereins, das die 100 Kilometer in 7:20:55 h geflogen ist und trotz späteren Starts noch vor Rothe ankam, waren die 8:24:01 Stunden des Mannes vom SV Königsee für alle anderen zu flott. Genauso wie die 11:20:25 h von Katrin Grieger für die anderen Läuferinnen. „Fertig“,

Geschafft, aber glücklich: Katrin Grieger (Hamburg) verewigte sich bei ihrem ersten Start in Fröttstädt ebenfalls in der Siegerliste.
Geschafft, aber glücklich: Katrin Grieger (Hamburg) verewigte sich bei ihrem ersten Start in Fröttstädt ebenfalls in der Siegerliste. © Steffen Eß

merkte ihr Zeitmessgerät am Handgelenk an. Was auch bei der Anästhesie-Ärztin aus Hamburg äußerlich weniger auf ihren Zustand nach einer so gewaltigen Strecke hindeutete. Allerdings räumt sie ein, sich im Moment so zu fühlen.

Katrin Grieger: „Fühle ich mich gut, will ich auch gewinnen“

„Geschafft“ hätte es ohnehin besser getroffen. Wie Frank Rothe ist die ebenso alte Frauensiegerin erstmals beim Thüringen Ultra am Start gewesen – und gleich Erste. Jeweils ein Stern de luxe also auf dem T-Shirt, das jeder Zielankömmling bei dem längsten Thüringer Lauf erhält.

„Aber ich bin echt froh, dass es vorbei ist. Die letzten zwanzig Kilometer waren schlimm“, merkte Katrin Grieger an und wartete auf ihren Mann Matthias. Vor einer Woche liefen beide beim Trailfest in Losheim am See (Saarland) gemeinsam 12, 75 und 24 Kilometer an drei Tagen. Am Gänsberg bei Kilometer 43 trennten sich nun ihre Wege. Ihrem Partner fiel es schwerer. Und sie läge in ihrem Klassement vorn, wurde ihr gesagt. „Dann dachte ich, eigentlich fühle ich mich gut, dann will ich auch gewinnen.“

Gesagt getan. Zehn Minuten vor Sylke Kuhn aus Kassel (11:30:39 h) und deutlich vor der Dritten Marion Konradt aus Siegen (12:07:04 h) holte sich Katrin Grieger wie Frank Rothe den Premierensieg.

Zweiter noch unter neun Stunden

Was dessen Zeit wert gewesen ist, zeigte der Abstand zu den Verfolgern. Eine halbe Stunde später kam der Gothaer André Skrowny nach 8:54:35 h als Zweiter ins Ziel. In seinem ersten Ultralauf vor der Haustür überholte er noch Rico Bechmann, der sich mittendrin plagte. Als Dritter biss er sich in 9:01:37 h dennoch durch.

Lohn bildete ein T-Shirt mit dem für ihn sechsten Stern, der für jeden geschafften Ultra bei der Lauffeuer-Gemeinde steht. Organisationschef Gunter Rothe überreichte sie vielen persönlich und hätte gern selbst eines übergezogen: das mit dem 14. Stern. Er hatte wie ein halbes Dutzend Männer alle 100-Kilometer-Läufe seit 2007 absolviert. Verletzungsprobleme verhinderten einen Start.

Seine Jungs Emil (10) und Anton (6) begleiteten den Gothaer André Skrowny ins Ziel. Der 37-Jährige vom Rennsteiglaufverein wurde Zweiter.  
Seine Jungs Emil (10) und Anton (6) begleiteten den Gothaer André Skrowny ins Ziel. Der 37-Jährige vom Rennsteiglaufverein wurde Zweiter.   © Steffen Eß

Zig Stunden war der 58-Jährige dennoch auf den Beinen, wie so ziemlich alle beim Lauffeuer Fröttstädt, der Feuerwehr im Ort, die mit Herzblut die Ultra-Läufer umsorgten. An zwei Tagen fuhren sie per Quad noch die Strecke ab, um sie zu markieren und die Wegpunkte zu kontrollieren. „Ich bin froh, wenn alle im Ziel sind“, so Rothe. 22.10 Uhr durfte er sich dessen sicher sein. Alle waren im Ziel.

70 Kilometer tun auch weh, nur das Leid endet schneller

Da war sein Namensvetter lange in Saalfeld. Zufrieden. Im Inneren hatte Rothe auf den Sieg gehofft. Dreimal gewann er den Südthüringentrail in Suhl, dreimal den Bleilochlauf. Distanzen über 60, 70 Kilometer liegen ihm, hundert aber sind eine andere Hausnummer. Einmal lief er sie zu Probe. Er war länger unterwegs, als er ahnte, und kaputt nach mehr als zwölf Stunden.

„Die 70 Kilometer sind anders“, empfindet Frank Rothe. „Die tun auch weh, aber das Leid ist schneller zu Ende.“ Er befürchtete ohnehin noch kommende Schmerzen nach nun zwei 100-km-Läufen.

„Vielleicht waren es die letzten, wenn ich so in mich rein höre“, sagte der Premierensieger. Aber wer weiß, was der neue Tag bringt. Die nächste Nacht jedenfalls, ahnte er, wird wohl nicht länger als die zuvor.