Schleiz. Fußball: Vor dem Pokalspiel gegen Meuselwitz hinterfragt Trainer Roger Fritzsch die Situation beim FSV Schleiz

Am Sonnabend erwartet der FSV Schleiz im Achtelfinale des Thüringer Landespokals den Regionalligisten ZFC Meuselwitz. Im Vorfeld sprachen wir mit dem Schleizer Trainer Roger Fritzsch, wie es aktuell um seine Mannschaft vor allem nach der Niederlage in Struth mit sechs Gegentreffern in der Thüringenliga bestellt ist.

Was schmerzt mehr? Die gedankliche Rückblende zur Demütigung bei Aufsteiger Struth oder der Blick auf die Tabelle mit dem FSV auf dem vorletzten Platz?

Die Tabelle interessiert mich nicht und von einer Demütigung will ich auch nichts wissen. Heiligenstadt und Martinroda sind dort auch baden gegangen – mit voller Kapelle. Es gibt Mannschaften, da fehlen mal fünf, sechs Spieler und die treten dann vielleicht gar nicht erst an, obwohl sie eine zweite und dritte Mannschaft haben. Wir wussten, was auf uns zukommt, wenn wir ohne 14 Spieler – davon acht potenzielle Stammkräfte – nach Struth reisen. Wir haben uns dennoch der Aufgabe gestellt und sollten jetzt auch bitte Realismus walten lassen.

In der Vorsaison stellte Schleiz mit 29 Gegentoren in 25 Spielen noch die zweitbeste Abwehr der Liga. Jetzt klingelte es in nur fünf Ligaspielen bereits 17-mal – der schlechteste Wert aller Thüringenligisten. Lässt sich das wirklich nur mit den personellen Ausfällen begründen?

Ich bin kein Freund von Alibis, aber wenn man mal nur die Ausfälle unserer Verteidigung – Berger, Kögler, Kühnel, Lange, Schmidt, Stütz, Tens und Woitzik – hernimmt und bedenkt, dass im Mittelfeld mit Liebold, Pätz und Sluga weitere Leistungsträger zu ersetzen waren, sollte doch ein wenig Verständnis für die vielen Gegentore vorhanden sein. Wenn ich jetzt etwas anderes antworten würde, wäre das doch völliger Quatsch! Natürlich waren wir in der Vorwoche beim Ausgleich gegen Saalfeld im Verteidigen des Freistoßes eindeutig zu passiv. Natürlich haben wir uns in Struth in der Restverteidigung sehr schlecht verhalten. Aber woher soll die Stabilität denn kommen? Soll ich einen Nicky Eichelkraut, der wochenlang verletzt war, jetzt anzählen? Soll ein Christian Göller, der nach zwei Jahren Verletzungszeit sein Comeback in der Startelf feierte, jetzt Wunderdinge im Zentrum vollbringen? Sollen Spieler, die bisher in der Kreisliga gekickt haben, jetzt einem zweit- und drittligaerfahrenen Nils Pichinot Paroli bieten können? Ich denke, ganz klar nein.

Sie selbst sprachen am Wochenende vom Tiefpunkt seit der Zugehörigkeit zur Thüringenliga. Heißt das, dass die Talsohle damit durchschritten ist?

Ich wurde im Sommer teilweise belächelt, als ich den Besuch beim Bürgermeister und die hochgejubelte Vizemeisterschaft kritisiert hatte. Hätte man zu diesem Zeitpunkt mal lieber gewisse Dinge, die in der entscheidenden Meisterschaftsphase vorgefallen sind, deutlich hinterfragt und zur Sprache gebracht, hätten wir dieses Wochenende sicherlich keine 14 Ausfälle gehabt. Der Tiefpunkt ist für mich nicht diese derbe Niederlage in Struth. Der Tiefpunkt ist für mich die Absage des Punktspiels unserer zweiten Mannschaft und die Tatsache, dass es erneut Spieler gab, die Feierlichkeiten, Ausflüge und so weiter wahrnahmen, obwohl die Personalsituation auf Grund der vielen Verletzungen so extrem angespannt ist. Auch wenn es beim FSV keine Aufwandsentschädigung, kein Trainingsgeld und keine Punktprämie gibt, sollte jedem Einzelnen bewusst sein, dass wir in der Thüringenliga spielen und nicht in einer Dorfliga mit Kneipentruppen.

Mit dem Pokalspiel gegen den ZFC Meuselwitz, einem Pflichtspiel gegen einen Regionalligisten, steht nun eine der größten Partien der Vereinsgeschichte an. Kann angesichts der zurückliegenden Nackenschläge überhaupt die an sich erwartbare Vorfreude – ich traue mich gar nicht von Euphorie zu sprechen – entstehen?

Ich denke, Vorfreude herrscht bei jedem. Aber natürlich ist der Zeitpunkt für uns gerade etwas ungünstig. Es gibt im Umfeld des Vereins vereinzelte Stimmen, die sagen, dass man dieses vermeintlich aussichtslose Spiel einfach abschenken sollte, um insbesondere bei den angeschlagenen Spielern kein Risiko zu gehen und sich auf die Liga zu konzentrieren.

Was halten Sie von solchen Gedanken?

Gar nichts halte ich von diesen Gedanken. Im Gegenteil: Ich sehe uns in der Pflicht, gerade den Fans gegenüber, die trotz schlechter Erfolgsaussichten, Schweinewetter und hoher Spritpreise am Samstag 200 Kilometer nach Struth gereist sind, um uns zu unterstützen. Es ist ein Pflichtspiel. Wir werden mit der bestmöglichen Startelf beginnen – und wir werden uns zerreißen!

Ist mit einer Entspannung der prekären Personalsituation zu rechnen?

Mit Beyer, Jung, Kühnel, Schmidt und Woitzik kehren definitiv fünf Spieler zurück. Falls es gut läuft, könnten noch Kögler, Pätz und Sluga dazu kommen. Auch wenn es gerade etwas unrealistisch klingt, wollen wir es Meuselwitz extrem schwer machen. Sollte Torjäger Pohl seinen Urlaub doch erst am Samstagabend antreten, sehe ich uns den Umständen entsprechend sehr gut aufgestellt.

Die Schwierigkeiten beim Toreverhindern haben wir angesprochen. Wie soll es angesichts dessen gelingen, gegen die Offensive eines Regionalligisten zu bestehen?

Sollten die acht aufgezählten Spieler tatsächlich wieder zur Verfügung stehen, verfügen wir in unserer letzten Linie wieder über mehr Variabilität. So könnten Saß und Nukovic zurück auf ihre angestammten Positionen, und wir hätten somit auch wieder mehr Stabilität im Zentrum.

Zum letzten großen Pokalspiel im Sommer 2019 gegen den FC Carl Zeiss Jena sprachen Sie davon, dass der FSV selbst von 100 Spielen keines gegen Jena gewinnen würde. Damals hieß es Landesklasse gegen 3. Liga – vier Spielklassen Unterschied. Diesmal kickt der Gegner „nur“ zwei Ligen höher. Also: Wie viele von 100 Spielen gegen den ZFC würde Ihr Team gewinnen?

In dieser Konstellation ist es im Pokal definitiv immer möglich, einem höherklassigen Kontrahenten mal ein Bein zu stellen. Aber dafür müssen immer mehrere Dinge zusammen kommen. Ob das am Samstag passieren wird, werden wir sehen. Große Sprüche wird es von mir jetzt zwar nicht geben, aber ich verspreche, dass die Mannschaft am Samstag eine Leistung rausknallen wird, mit der sich jeder FSV-Fan identifizieren kann!

Malen wir uns den Idealfall aus: Wie kann die Überraschung gelingen?

Es kommen die aufgezählten acht Spieler zurück, Torjäger Pohl steht zur Verfügung, die Fans treiben die Jungs lautstark bis an die Leistungsgrenze, wir bekommen Johann Martynets gut in den Griff, Meuselwitz hat keinen guten Tag und Albert Pohl zeigt seine Extra-Klasse und schießt uns eine Runde weiter.

Die eingefleischten FSV-Anhänger werden sich die Partie nicht entgehen lassen. Warum lohnt es sich am Samstagnachmittag auch für neutrale Zuschauer, einen Abstecher an den Fasanengarten zu machen?

Beide Teams sind in der Pflicht. Wir sind zwar krasser Außenseiter und müssen das Spiel nicht gewinnen, aber wir müssen beweisen, dass es sich weiterhin lohnt, unsere Heimspiele zu besuchen. Meuselwitz muss diese Partie für sich entscheiden, weshalb sie sicherlich mit ihrer stärksten Elf beginnen werden.