Christian Albrecht über das Tennisdoppel-Finale in Athen 2004 mit Nicolas Kiefer und Rainer Schüttler.

Wie paralysiert standen Nicolas Kiefer und Rainer Schüttler 2004 in Athen auf dem Treppchen, mit einem Lorbeerkranz auf dem Kopf, die Silbermedaille um den Hals – von Freude aber war keine Spur. In einem unfassbar spannenden Doppel-Finale, welches erst in der Nacht um 2.49 Uhr einen Sieger fand, hatten die Deutschen gegen Nicolas Massu und Fernando Gonzales aus Chile in fünf Sätzen verloren.

Von Freude war bei Nicolas Kiefer (l.) und Rainer Schüttler nach dem Gewinn der Silbermedaille keine Spur.
Von Freude war bei Nicolas Kiefer (l.) und Rainer Schüttler nach dem Gewinn der Silbermedaille keine Spur. © SVEN SIMON

Kiefer brauchte fortan eine lange Zeit, um dieses Erlebnis zu verkraften. „Natürlich war es die schlimmste Niederlage und dennoch mein größter Erfolg. So scheinbar widersprüchlich kann der Sport sein“, sagte das frühere deutsche Tennis-Ass einige Jahre später in einem Interview und fasste damit eigentlich perfekt den olympischen Gedanken zusammen: in der Niederlage doch den Sieg zu erkennen – gerade in einem direkten Duell um Gold immer sehr schwer.

Dass Schüttler und der gebürtige Hannoveraner nämlich im Finale standen und dem Olympiasieg von Boris Becker und Michael Stich in Barcelona aus dem Jahre 1992 nacheiferten, davon war vor dem Turnier nicht auszugehen. In den ersten Runden schlagen die Deutschen starke Doppel, geben aber lediglich im Viertelfinale gegen zwei Israelis einen Satz ab, gewinnen das Halbfinale deutlich.

Die Voraussetzungen für das Endspiel sind derweil besonders. Gonzales hatte erst drei Stunden zuvor sein Duell um Einzel-Bronze in drei Sätzen (16:14) gewonnen. Deswegen beginnt das Doppel-Finale erst am späten Abend und wird zum nächtlichen Thriller unterhalb der Akropolis.

Von Müdigkeit ist bei Gonzales aber keine Spur. Die Chilenen legen los wie die Feuerwehr. Beide spielen ei­gentlich kein Doppel in diesem Match, hämmern beide von der Grundlinie die Filzkugel über das Netz. Schüttler und Kiefer hingegen wachen erst im zweiten Satz auf, drehen einen 2:4-Rückstand in einen Satzgewinn und spielen, als würden sie schon seit Jahren zusammen agieren.

Die Chilenen kämpfen wie die Löwen

Im vierten Durchgang sind sie dem großen Traum dann ganz nah. Der deutsche gemeine Tennis-Fan oder ausdauernde Olympia-Zuschauer freut sich schon auf sein Bett. 6:2 führen die beiden im Tiebreak, doch den entscheidenden Ball, den bekommen sie einfach nicht weg. U.a. legte Schüttler einen Volley hauchdünn hinter die Linie.

Die Chilenen hingegen kämpfen wie die Löwen, holen den Satz noch mit 9:7 und gewinnen den entscheidenden Abschnitt 6:4. Kiefer geht zu Boden, ist den Tränen nah, Schüttler kann ihn nicht trösten, ist schockiert, so wie ich am TV damals, um 3 Uhr nachts. Ein Match, eine Achterbahn der Gefühle, die ich nie vergessen werde.

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