Oberhof. Der Oberhofer Biathlet Erik Lesser muss nach einem Sturz mit dem Mountainbike eine Trainingspause einlegen. Bis zu den Deutschen Meisterschaften will er aber wieder fit sein.

Auf den ersten Blick scheint ihm nichts zu fehlen. Schmunzelnd erzählt Erik Lesser, weshalb er an diesem Nachmittag gemütlich auf seiner sonnigen Terrasse in Oberhof sitzt, anstatt mit den Teamkollegen in den Dolomiten die Bergpässe hinauf zu strampeln. Ein Teil des Wundverbandes lugt aus dem T-Shirt. Es ist das einzige verräterische Zeichen, das von dem Sturz mit seinem Mountainbike zeugt. Ein Sturz, der ihn zu einer unfreiwilligen Auszeit zwingt. Beim Training – und zu Hause.

„In den ersten Tagen habe ich mich ziemlich nutzlos gefühlt; wie ein zweites Kind“, sagt Lesser und schielt zu Freundin Nadine hinüber. Mit Töchterchen Anouk auf dem Arm hält sie inne und sagt: „Ich habe gewusst, dass es irgendwann passiert. Als der Anruf kam, war alles klar.“

Lesser liebt es, mit dem Bike über Stock und Stein unterwegs zu sein. Er mag die Herausforderung, den Nervenkitzel. Dabei kann er abschalten und hat Spaß. Bis zu jenem folgenreichen Ausflug in den Oberhofer Bike-Park ging auch immer alles gut.

„Irgendwie habe ich bei einem Sprung die Landung verbockt“, gibt der Schnellschütze unter den Biathleten zu. Plötzlich lag er auf der Nase – beziehungsweise auf der rechten Schulter. Das Schlüsselbein war gebrochen.

Ein Schreck, den es erst einmal zu verdauen galt: „Ich hatte ein bisschen Bammel vor Nadine“, verrät er. Und vor seinem Trainer. Weder Mark Kirchner noch seine Freundin rissen ihm den Kopf ab. Aber auch die tröstenden Worte hielten sich in Grenzen. „Von mir gab es kein Mitleid“, sagt Nadine. Und Lesser nimmt es wie ein Mann: „Habe ich auch nicht verdient.“

Kurioserweise blieb er bei seinem Fauxpas – abgesehen von der Schlüsselbeinfraktur und ei­ner Schürfwunde am Unterarm – unversehrt. Nicht einmal der Helm oder das Rad hatten einen Kratzer abbekommen.

Mittlerweile ist er operiert, hat in Erfurt seinen ersten Klinikaufenthalt überhaupt hinter sich gebracht und konnte die stabilisierende Armschlinge schon ablegen. „Das Training kann kommen“, meint er augenzwinkernd. Und passenderweise hält just in dem Moment der Paketbote vor dem Haus – und lädt mehrere Kartons aus dem Auto. „Mein neuer Rollentrainer“, liefert Lesser gleich die Erklärung. Sobald seine Wunde verheilt ist, wird er auf dem Ergometer viele einsame Stunden verbringen.

Rund sechs Wochen Ruhe ist seiner Schulter nach der Operation verordnet worden. Das wird ihn jedoch nicht davon abhalten, aufs Rennrad zu steigen oder die Rollerski anzuschnallen. Lesser: „Das sollte gehen, ohne den rechten Arm zu belasten.“ An die Umfänge und Intensitäten der Nati­onalmannschafts-Kollegen wird er bei allem Ehrgeiz aber nicht heranreichen. Es gilt deshalb, im Training zu improvisieren; einen eigenen Weg zu finden. In dieser Woche will er mit Kirchner und dessen Co-Trainer Marko Danz ein Konzept erarbeiten.

Seine Teilnahme am City-Biathlon in Wiesbaden Anfang August hat Lesser bereits abgesagt. Ziel sind die deutschen Meisterschaften, die im September am Großen Arbersee sowie in Ruhpolding ausgetragen werden. „Die Thüringer Staffel braucht mich. Wir haben etwas zu verteidigen“, meint er grinsend und spielt auf den Staffelsieg im vergangenen Jahr an. Damals hatte Lesser gemeinsam mit Philipp Horn und Lucas Fratzscher die Konkurrenz aus Bayern und Baden-Württemberg in die Schranken gewiesen und den (prestigeträchtigen) Titel geholt.

Zuvor will der 31-Jährige aber auf jeden Fall beim Jedermann-Rennen der Deutschland-Tour starten. Als einer der prominenten Kapitäne führt er am 1. September das „Team Thüringen“ an – und freut sich auf die „coole Runde“ durch die Heimat.

Auch in Richtung Winter versprüht Lesser Zuversicht: „Mit gut strukturiertem Training kann ich im November bei hundert Prozent sein“, ist er überzeugt. Will man seinem Missgeschick etwas Gutes abgewinnen, dann ist es der frühe Zeitpunkt in der Vorbereitung: „Es ist noch genügend Zeit, in Form zu kommen.“ Der erste Weltcup wird ab 30. November traditionell im schwedischen Östersund stattfinden.

Bis dahin wird der Hobby-Bi­ker auch wieder im Sattel gesessen und so manchen Parcours bewältigt haben. Denn eines steht für ihn trotz des Sturzes fest: Die Trails werden ihn nicht los; dafür hat er zu viel Spaß daran. Das wissen auch seine beiden Mädels – und lächeln ihn milde an.