Frankfurt/Main. Politik hat im Stadion nichts zu suchen - sagen die großen Fußballverbände. Die als überaus politisch geltenden Fans des FC St. Pauli haben sich in der Syrien-Frage gegen die Türkei positioniert. Eine drohende Strafe dafür will der Zweitligist nicht hinnehmen.

Ein politisches Plakat beim FC St. Pauli hat auf höchster politischer Ebene in der Türkei für Ärger gesorgt. Der Fall könnte vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) noch eine größere Rolle spielen.

Es geht - vor allem dem betroffenen Hamburger Zweitligisten - um Meinungsfreiheit im Stadion. Bei der DFB-Sportgerichtsverhandlung an diesem Freitag (11.00 Uhr) steht erstmal der massive Pyro-Einsatz im Hamburger Zweitliga-Derby auf der Tagesordnung. Im Hintergrund schwelt ein Vorfall von sportpolitischer Brisanz. Anhänger des FC St. Pauli hatten im Spiel am 19. Oktober gegen den SV Darmstadt 98 ein großes Spruchband gezeigt: "Biji Rojava" ("Es lebe Rojava"). Sie schwenkten außerdem Fahnen der kurdischen Frauenverteidigungseinheiten YPJ.

Der Fall vom Millerntor beschäftigt nun den DFB. St. Pauli-Präsident Oke Göttlich will eine mögliche Geldstrafe nicht hinnehmen und pocht auf Meinungsfreiheit.

Mit der Kampagne #riseup4rojeva wird zur Solidarität mit der Bevölkerung in Nordsyrien aufgerufen. Die Südtribüne des Hamburger Clubs zeigte damals auch die Farben Gelb, Rot und Grün - die Farben von Rojava, der autonomen Region in Nordsyrien, in der die Türkei eine Militäroffensive gestartet hatte.

Nach dpa-Informationen hat der DFB-Kontrollausschuss eine Geldstrafe von 4000 Euro beantragt. Diese könnte, wenn St. Pauli mit seinem Einspruch gegen die Geldstrafe wegen Pyro-Vergehen im Derby in Höhe von 120.000 Euro scheitert, eigentlich erlassen werden. Der Hamburger SV wehrt sich gegen die 200.000 Euro, zu denen das DFB-Sportgericht den Verein in erster Instanz verurteilt hatte.

Aber Göttlich geht es ums Prinzip. "Man kann ganz klar sagen: Für den FC St. Pauli ist die Meinungsfreiheit nicht verhandelbar - auch im Stadion", sagte der Clubpräsident. "Wir als FC St. Pauli haben uns immer ganz klar dazu bekannt, dass Sport politisch ist. Jede Handlung eines jeden Menschen ist politisch, zu jeder Minute seines Seins - und damit ist auch der Sport am Millerntor durchaus politisch."

Politische Äußerungen bei Fußballspielen sind zwar nicht explizit verboten, ziehen aber oft Sanktionen nach sich. Nach dem Militärgruß türkischer Nationalspieler in der EM-Qualifikation ist der Fall noch bei der Europäischen Fußball-Union anhängig. Nach Medieninformationen will die Uefa Verweise gegen 13 Spieler aussprechen und eine Geldstrafe von 50.000 Euro gegen den türkischen Verband verhängen.

Auf das Plakat der Pauli-Anhänger im Darmstadt-Spiel wurde der DFB nach dpa-Informationen in einem Brief des Türkischen Fußballverbandes aufmerksam gemacht - der wiederum vom türkischen Außenministerium alarmiert worden war.

"Es geht gar nicht um das, was im Stadion passiert ist. Das Plakat wurde gezeigt, nachdem wir uns wenige Tage zuvor vom Spieler Cenk Sahin getrennt haben", betonte Göttlich. Der türkische Profi hatte bei Instagram die Syrien-Offensive der Türkei begrüßt und seine Solidarität bekundet.

"Natürlich gibt es in der türkischen Bevölkerung und auch in der deutsch-türkischen Bevölkerung ganz andere Meinungen als die, die der FC St. Pauli vertritt. Diese akzeptieren wir auch", sagte Göttlich. "Aber wir als FC St. Pauli können unsere Entscheidung nur aufgrund unseres Wertekosmos treffen. Und der beinhaltet, dass wir kriegerische Handlungen ablehnen. Wenn ein Spieler das bei uns nicht tut und das auch wiederholt, dann müssen wir auch Maßnahmen treffen."

Die Vertragsauflösung bei Sahin habe man sehr vernünftig hinbekommen, so dass beide Seiten ohne Gesichtsverlust geblieben seien. Die politische Debatte beschäftigt St. Pauli aber weiter - und auch den DFB.