Erfurt. Thüringens Sportstätten tragen Namen von Großen der Wissenschaft, des Weltgeschehens, des Sports. Der Ruhm reicht zuweilen nicht für die Ewigkeit ihres baulichen Andenkens, bestimmt aber für Erzählstoff.

Was wohl Manfred von Brauchitsch (gestorben 2003) denken möge, wenn er die Straße von Ichtershausen nach Arnstadt heute im Silberpfeil entlang brettern dürfte. Wahrscheinlich: bloß schnell fort. Das Grün wuchert aus jeder Betonritze und versperrt den Gang, wo ihm zu Ehren einst die Fußballer von Motor Zwickau und Motor Ichtershausen/Rudisleben auf den Rasen traten. Neugierig bestaunt von 3000 Leuten. So viele verfolgten vor 66 Jahren die Einweihung. Der Wagen des später in den Osten geflüchteten Manfred von Brauchitsch soll einst zwar gesehen worden sein, er selbst aber blieb fern. Inzwischen beherbergt die Holztribüne bestenfalls Marder oder Fledermäuse. Verriegelt, verwahrlost, verloren – eine tierische Zuflucht hinter Gitterstäben: Die Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn wartet auf den Abriss.

Der Stadt Arnstadt fehlt das Geld, um dem Kleinod stadteinwärts neues Leben einzuhauchen. Und dem dortigen Fußball fehlt eine Mannschaft, um die Erinnerung an Rudisleben und von Brauchitsch wachzuhalten, zumal am Obertrunk vieles fein für Fußball hergerichtet ist. Dabei beinhaltet Rudislebens Anlage wie eine Reihe von Sportstätten in Thüringen Klang. Viele von ihnen besitzen mit ihren Namenszügen mehr Strahlkraft – oder besser: Sie sollten das jedenfalls bald wieder.

Eisenachs Traum vom Handball-Tempel im Industriedenkmal O1

Die besten Tage, so scheint es, hat die Werner-Aßmann-Halle hinter sich. Und eigentlich sollten diese für den Eisenacher Handball-Tempel schon gezählt sein. Seit mindestens fünf Jahren doktert die Stadtpolitik beflissen an einem finanzierbaren Konstrukt, um eine neue moderne Spielstätte zu schaffen. Eine, die dem ThSV den nötigen Rückhalt im Kampf um Bundesliga-Punkte bietet und wohl gleichermaßen dem einstigen Spitzenhandballer Werner Aßmann (gestorben 1993) gerecht wird. Aus einem Umbau an der Katzenaue erwuchsen die Pläne für einen Neubau, nach einem Neubau erträumte sich der Stadtrat eine Handball-Hochburg hinter der geschichtsbeladenen Fassade des Industriedenkmals O1 vom Automobilwerk. Etliche Sitzungen, zig Beschlüsse und fast vergeigter Fördermillionen später ist wenig passiert. Außer, dass die Stadtoberen den wiederholten Neustart des Bauvorhabens O1-Traum beschlossen.

Worauf sich die Handball-Fans an der Wartburg über die Jahre verlassen durften, war das Echo aus dem Ratssaal. Jede hübsche Idee kam stets auch teurer. Aus der Anfangsnotwendigkeit eines Umbaus für sechs Millionen Euro ist ein Vorhaben mit einer Bausumme von mehr als 40 Millionen Euro geworden. Die Berufsschule sollte mit in den Gesamtkomplex einziehen und nötige Fördermillionen erbringen. Grünes Licht, na klar. Fünf Monate später nun ist die Lösung eine mal wieder ohne Schule, aber mehr für den Vereins- und Schulsport; etwas schlanker, mit der Kostenprognose von 26 Millionen Euro, aber immer noch drei Millionen über der avisierten Obergrenze und in einer restaurierten Schale einer Industriebrache. Ob die O1-Hülle über der Stadt unter ihrem Zwangshaushalt wie ein Kartenhaus einfällt, ist weiter zu befürchten. Mehr als eine Million ist locker mal für Planung weg. Die Städtische Wohnungsbaugesellschaft übernimmt. Ihr gehört das Fleckchen. Die Chance besteht, dass der Namenszug Werner Aßmann, der als Handballer, Lehrer und Trainer große Spuren hinterlassen hat, (sofern mitgenommen) an neuer Stelle mehr Aura verleiht.

Nordhausen behebt Sanierungsstau im Albert-Kuntz-Sportpark

Für das Andenken an Albert Kuntz (gestorben 1946) hat Nordhausen alle Widerstände überwunden, um den gleichnamigen Sportpark aufzupeppen. Ein zweistelliger Millionenbetrag soll das nach dem Widerstandskämpfer benannte Gelände regionalliga-tauglich machen, auch wenn dort nach der Pleite Wackers auf absehbare Zeit kein viertklassiger Fußball zu erwarten ist.

Der 1923 eingeweihte Wacker-Sportpark trägt seit 1951 den Namen des KPD-Politikers und NS-Regime-Gegners. In den 1980er-Jahren erhielt er eine Frischzellenkur: Für mehrere Millionen Ost-Mark sind seinerzeit überdachte Tribünen, ein Sozialgebäude, eine Traglufthalle sowie eine Flutlichtanlage gebaut worden. Mehr als zehn Millionen Euro sollen nun dazu dienen, die Tribüne und das Funktionsgebäude nun endlich herzurichten und den Sanierungsstau nach mehr als drei Jahrzehnten abzubauen. Gegentribüne und Spielfelder warten auf Erneuerung. Die Pläne sind finanziell bedingt abgespeckter Natur. Statt 2000 Leuten werden noch 1000 auf der neuen Tribüne Platz finden, wenn es demnächst losgeht. Das Funktionsgebäude wird um eine Etage und das auch Fassungsvermögen mit 5000 Zuschauern kleiner. Immerhin: Es tut sich was.

Paradiesischer Ausblick trägt das Erbe Ernst Abbes

Die berühmte Zeiss-Linse ist restauriert, die Uhr darüber an dem wie aus der heutigen Zeit gefallenen Holzturm tickt noch – und sie tickt weiter. Eine neue Zeit hat im Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld jedoch begonnen. In spätestens drei Jahren wird sie dem Namensgeber vermutlich ebenso mehr noch alle Ehre machen wie dem Beinamen des Auengeländes. Steht dann das reine Fußball-Stadion mit Platz für gut 15.000 Zuschauer, brechen wahrhaft paradiesische Zeiten für die Zeiss-Fans an und lassen die langen Diskussionen der vergangenen zehn Jahre vergessen. Möglich, dass nebenan noch einiges an Wasser die Saale hinablaufen wird, bis der sportliche Glanz vergangener Fußball-Tage die Sportanlage mit ihren Plätzen umhüllt. Nur hinein laufen soll es dann aber nicht mehr wie zuletzt 2013, als das Nass die 70 Meter hohen Flutlichtmasten rostbefallen dem Untergang weihte. Einen Kurzschluss hat das Hochwasser indes eher bei denen ausgelöst, die diese einzigartig hohen Türme sofort zurückbauen ließen.

Hochwasserschutzmaßnahmen, moderne Anlagen, Zuschauer ganz nah am Feld auf den rundum überdachten Tribünen, steiler Gang für geilen Klang: Glaubt man den Planungen, kommt das Abbe-Sportfeld infrastrukturell und vom Fassungsvermögen abgesehen weit oben an. Nicht von Pappe ist aber auch die Investition. Die Investorengruppe kalkuliert an die 50 Millionen Euro, um das Herzstück mit neuer Leichtathletikanlage flott und rentabel für die Zukunft zu machen.

Der wohl schon in Kürze beginnende Umbau ist ein Meilenstein in der fast hundertjährigen Geschichte des 1924 eingeweihten Stadionkomplexes. Seit 1939 trägt er den Namen des berühmten Jenaer Sohns. Ernst Abbe, ein kluger Mann aus einfachen Verhältnissen, ein Physiker, Industrieller und Sozialreformer, hat die Stadt an den Kernbergen Carl Zeiß und Otto Schott zum Zentrum der Optik gemacht. Im Brennglas der Zeit ist die so weit gefasste Anlage die wohl schönste in Thüringen geblieben. Und die betagte Uhr läuft nach wie vor mit.

Wer schwelgen will, geht ins Kaffeetälchen

Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportstätten in Kölleda und Bleicherode, Jahnsporthallen in Arnstadt und Eisenach: Der Turnvater stand vielerorts Pate. Dachwig widmete seinem langjährigen Bürgermeister Alfred Just den nun aufgehübschten Komplex mit Halle und Stadion, in Großschwabhausen ist die große Halle nach Josef Baumgartner benannt, Ehrenbürger der Gemeinde und auch der Partnergemeinde Schwabhausen in Bayern.

Einen tollen Blick verheißt die „Arena Schöne Aussicht“ in Zella-Mehlis. Unübertroffen aber ist das „Waldstadion im Kaffeetälchen“ in Tiefenort – für sogenannte Groundhopper ein Geheim-Tipp in Thüringen, das für einen dieser Stadionbesuch-Sammler das „Land der schönen Unbekannten“ in Sachen Fußball-Plätze darstellt.

Erfurt – Stadt der Sportstätten mit großen Namen

Wenn es einen Hang dazu gibt, Sportanlagen mit klangvollen Namen zu garnieren, dann darf das Erfurt für sich beanspruchen. 70 Jahre nachdem die 1931 fertiggestellte Mitteldeutsche Kampfbahn im Mai 1950 als Georgij-Dimitroff-Stadion eingeweiht worden war, steht der alte und neue Name Steigerwaldstadion nicht unbedingt dafür Pate. Die Sportstätten nebenan dafür umso mehr: das Sportgymnasium Pierre de Coubertin, benannt nach dem Erfinder der olympischen Spiele der Neuzeit, im Süden; das Gunda-Niemann-Stirnemann-Eissportzentrum und die Roland-Matthes-Schwimmhalle im Norden – und nach dem Beschluss der Stadtpolitik im Juli wird die Leichtathletik-Halle den Namen des Geher-Olympiasiegers Hartwig Gauder (1954 – 2020) bekommen. Drei ganz Große des Sports, die Erfurt in der „Hall of fame“ des deutschen Sports schillern lassen. Bleibt zu hoffen, dass das Dach der 26 Jahre alten Leichtathletikhalle nach der Erneuerung der Fläche 2012 so schnell keine neuen Risse bekommt.

Nur beinahe einen Steinwurf davon schien Euro über Euro im Antlitz eines Großen im Erdreich versickert zu sein. Der Rohrbruch der Wasserleitung im Sommer auf dem freien Gelände gehörte mal nicht zur Kategorie Pfusch. Mit der Überschwemmung des Untergeschosses just einen Tag vor der geplanten Wiedereröffnung im Juni aber lässt der Defekt die Matthes-Schwimmhalle in einem unschönen Licht erscheinen. Mal wieder. Abgefallene Fliesen, undichtes Becken, korrodierte Tragelemente: In gut 20 Jahren seit dem Neubau schienen Bauleute öfter in der Halle gewesen zu sein als Schwimm-Talente, die Rücken-Ass Roland Matthes (1950 – 2019) nacheifern sollten.

Zum umfangreichen Sportkomplex im Süden Erfurts passte wohl noch der Zusatz Bruno Mann (gest. 1938). Unter Leitung des damaligen Bürgermeister (1919 – 1933) ließ der Magistrat nach und nach ein 33 Hektar großes Gelände an der Arnstädter Straße in städtischen Besitz bringen. Mit dem Ziel, ein der Zeit vorauseilendes Sportzentrum zu errichten. In einem damaligen Modell ist von einer beheizbaren Eishalle, ei­ner 100-m-Schwimmbahn im Stadion, einer Stadthalle, Hallen für Ausstellungen und Plätzen für Tennis und Hockey die Rede gewesen.

Dass nach der Mann-Ära, unter dessen Führung neben der Mitteldeutschen Kampfbahn auch der Bau des Flughafens und Nordbades umgesetzt wurde, viele von den einstigen Visionen peu à peu Gestalt angenommen haben, gehört zu wohl unerklärbaren Fügungen der Zeit. Sie lassen den Umbau des Steigerwaldstadions nach mehr als 80 Jahren als Fehlleistung in der Zeitschiene erscheinen. Fast 40 Millionen Euro für einen drei Viertel fertigen Bau. Möglich, dass er als sündhaft teures Provisorium in die Geschichte eingeht, bis die Stadt Mittel aufbringt, um die einstige Haupttribüne noch zu sanieren und einzubinden. Nicht unbedingt der Name Steigerwaldstadion sollte verpflichten, wohl aber der von Erfurt.