Axel Lukacsek über blanken Hass im Internet, der immer öfter auch Sportler trifft.

Erik Lesser platzte der Kragen. Als sein Teamkollege Philipp Horn beim Biathlon-Weltcup in Oberhof einen richtig schwarzen Tag erlebte, in der Staffel gleich dreimal in die Strafrunde musste und damit alle Träume von einem Podestplatz jäh zerplatzten, schütteten die in diesem Fall nicht gerade sozialen Medien blanken Hohn und beißenden Spott über dem ohnehin schon emotional am Boden liegenden Skijäger aus.

Lesser, der normalerweise die Reaktionen der Wintersportfans eher sportlich nimmt, gingen die gnadenlosen Kommentare gegen den Strich – und nahm sich die unsachlichen Kritiker vor laufender Kamera zur Brust. „Das geht jetzt an alle Zuschauer, die sich da auslassen mussten über seine nicht ganz gute Leistung. Das ist absolut fehl am Platz. Das können sich die Bundestrainer auf der Couch daheim echt sparen.“

Dabei kam der Thüringer Biathlet vergleichsweise glimpflich davon. Die Skala der widerlichen Kommentare ist nach oben offen. Ganz offenbar ist es so, dass mit der Popularität auch die Unbarmherzigkeit zunimmt. Fußball-Nationalspieler um Toni Kroos machten in einer gemeinsamen Aktion auf das Mobbing im Internet jüngst aufmerksam. Ihre Videobotschaft gewährt einen Blick in die tiefen Abgründe kranker Seelen. Ein Kommentator im Internet wünschte Kroos, er möge in der Hölle sterben. Eine andere Nachricht an den Kölner Torhüter Timo Horn kündigte an: „Ich stech dich ab!“

Weil er immer wieder verbal angegriffen und rassistisch beleidigt wurde, kündigte nun der französische Fußball-Weltmeister Thierry Henry vorerst seinen Abschied aus den sozialen Netzwerken an. Die mentale Folter sei zu giftig gewesen, um sie zu ignorieren.

Vor allem der Internetplattform Facebook wird vorgeworfen, zu wenig gegen den Hass im weltweiten Netz zu unternehmen. Dabei lieferte der Konzern nun selbst die nackten Zahlen, die jene Ausuferung klar belegen. Demnach wurde zwischen Oktober und Dezember 2020 weltweit gegen 6,6 Millionen Inhalte mit Hassrede auf Instagram vorgegangen. Im ersten Quartal des vergangenen Jahres betraf das lediglich 578.000 Inhalte.

Wenn auch noch nicht in jener Schärfe, so ist der raue Tonfall längst auch in Thüringen angekommen. Beim Fußball-Regionalligisten FC Carl Zeiss Jena wurden – wenn auch äußerst selten – schon mal beleidigenden Kommentare mit justiziablem Inhalt gelöscht. Auch der Fußball sei kein rechtsfreier Raum, ließ der Klub wissen und fügte hinzu, dass jene Vorkommnisse bislang allerdings die absolute Ausnahme darstellen.

Beim Handball-Zweitligisten ThSV Eisenach beobachtet man ebenso jene Entwicklung. „Wie überall in der Gesellschaft ist auch bei uns der Ton rauer geworden“, sagt Manager Rene Witte. Seine Spieler müssten sich auch harscher Kritik stellen können. „Gegen persönliche Beleidigungen werden wir sie allerdings mit aller Vehemenz schützen.“ Kommentare im Internet, die rassistisch oder homophob sind, würde man löschen.

Seit jeher geht es in der Werner-Aßmann-Halle manchmal auch verbal ruppig zu. Im Internet-Hass sieht Manager Witte aber eine neue Qualität. Ein abwertender Spruch während eines hitzigen Spiels sei aus der Emotionalität heraus geboren. „Wer aber zu Hause am Computer sitzt, macht das mit voller Absicht“, sagt Witte, der auch nicht vor einem Hallenverbot gegen einen Schreiber von Hasskommentaren zurückschrecken würde: „Zum Glück ist es dazu aber noch nicht gekommen.“

Längst beeinflusst der blanke Hass personelle Entscheidungen. Schalke-Vorstand Alexander Jobst kündigte nach zehn Jahren seinen Rückzug an, um nach anonymen Anfeindungen sich und seine Familie zu schützen. Die Polizei hatte ihm geraten, die Geschäftsstelle nur noch bei Tageslicht zu verlassen. Es habe Aufforderungen gegeben, „mich im wörtlichen Sinne mit Benzin zu übergießen und zu verbrennen. Glauben Sie mir: So etwas macht etwas mit Ihnen.“

Fußballprofi Daniel Didavi vom VfB Stuttgart schützt sich inzwischen auf seine eigene Weise. Er löschte seinen Instagram-Account – und liest jetzt lieber Bücher oder schaut Dokus.