Erfurt. Thüringer Sport und Politiker diskutieren über bürokratische Hürden und marode Sportstätten. Ehrenamtliche sollen steuerlich entlastet werden.

Selbst der Chef ist manchmal am Verzweifeln. „Ich bin Jurist. Mir ist es aber unmöglich, eine Fahrtkostenabrechnung des Landessportbundes abzurechnen. Bis der Hauptgeschäftsführer sich erbarmt hat, für mich das auszufüllen. Das ist der Wahnsinn, denn es muss ja alles sauber sein. Der Zeitaufwand ist teurer, als die Fahrt selbst“, sagte der Präsident des Landessportbundes, Stefan Hügel, bei einer Podiumsdiskussion in Erfurt mit 140 Vertretern von Vereinen, Fachverbänden sowie Stadt- und Kreissportbünden sowie der Politik. Knapp zwei Monate vor der Landtagswahl hatte die Thüringer Sportfamilie die Fraktionsvorsitzenden des Landtages eingeladen, um die Entwicklung des Sports hierzulande auszuloten, wenn das Parlament im Herbst in eine neue Legislaturperiode startet.

Alle Parteien waren sich einig, dass die Arbeit der mehr als 60.000 im Sport ehrenamtlich Engagierten erleichtert werden müsse. „Wenn wir es schaffen, bei der Steuerfreipauschale ein Stück nach oben zu gehen, dann ist das schon viel wert“, sagte Mike Mohring von der CDU, der zudem forderte, den Sport als Staatsziel in der Thüringer Verfassung zu verankern: „Ohne das Herzblut der Ehrenamtlichen könnten wir die Vereine gar nicht aufrechterhalten.“

Auch Dirk Adams (Bündnis 90/Die Grünen) will die freiwilligen Helfer in Zukunft besser stellen. „Die Steuerfreipauschale ist ein Ausdruck dafür. Das bisschen Geld, was sie bekommen, sollen die Ehrenamtlichen auch behalten dürfen“, sagte er.

Björn Höcke (AfD), einst selbst Sportlehrer, kritisierte dagegen die Situation an den Schulen und die Qualität des Sportunterrichts. „Ich habe vier Kinder. Alle hatten an der Grundschule keinen Unterricht durch ausgebildete Sportlehrer genossen. Wenn ich sie gefragt habe, was sie denn gemacht haben, haben sie mir gesagt: Völkerball oder Fangen. Das ist aber kein Sportunterricht“, sagte Höcke.

Thüringens CDU-Chef Mohring forderte mehr Sportunterricht an den Schulen, zudem die bessere finanzielle Ausstattung der hauptamtlichen Trainer und regte an, sie mit Lehrern und Erziehern gleichzustellen. Wenn das nicht gelinge, wird man künftig nicht mehr genügend Leute finden: „Der Sport ist der Verlierer bei der Suche nach Fachkräften.“

Angesichts des Investitionsbedarfs an den Thüringer Sportstätten mit einer gewaltigen Summe von einer Milliarde Euro kündigte Matthias Hey von der gemeinsam mit den Linke und Grünen regierenden SPD eine Bestandsaufnahme mit den Kommunen an. „Dann wollen wir ein Sonderförderprogramm auflegen“, sagte Hey und nannte als weiteren Schwerpunkt den Schwimmsport und die oft stark sanierungsbedürftigen Bäder, die nach seinem Willen ebenso gesondert gefördert werden sollen. Mohring will den Investitionsstau durch einen Goldenen Plan für Thüringen auflösen: „Das haben wir schon länger vorgeschlagen, um den Kommunen zu helfen.“

Über allem aber schweben ganz offensichtlich die teils enormen bürokratischen Monster, die vor allem Ehrenamtlichen an der Basis die Lust verderben. „Wenn ein Verein die Dusche sanieren will, kann er bei uns Fördermittel beantragen. Ich selbst fühle mich nicht in der Lage, den Investitionsförderantrag ohne Hilfe eines Sachbearbeiters so auszufüllen, dass er unangreifbar ist. Das ist ein irrer Aufwand“, sagte LSB-Chef Hügel über die vom Landessportbund weitergereichten Steuermittel.