Leipzig. Vor 1990 erlebte Thüringen Europapokal-Spiele, nach der Wiedervereinigung gab Zweitklassigkeit und Sternstunden im DFB-Pokal. Nun bestimmen Insolvenzen und Abstiege das Fußball-Geschehen

Bernd Schneider, Marco Engelhardt, Clemens Fritz und der unvergessene Robert Enke - Thüringen hat in der Zeit nach der Wende immer wieder Nationalspieler hervorgebracht. In der Region ist man stolz auf seine Helden, auf die großen Europapokal-Nächte des FC Carl Zeiss Jena in den 80er Jahren. Doch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung liegt der Fußball am Boden. Mit dem Abstieg Jenas in die Regionalliga wird erstmals kein Profi-Club aus den ersten drei Ligen mehr aus Thüringen kommen.

Wacker Nordhausen: Absturz statt Hoffnungsträger

Die jüngste Hiobsbotschaft übermittelte Wacker Nordhausen. Der einstige Hoffnungsträger wollte mit viel Geld und großen Namen ins Profi-Geschäft stürmen. Dann platzte der Traum im Dezember mit der Insolvenz der Spielbetriebs GmbH. Ein Schuldenberg von neun Millionen Euro hatte sich angehäuft. Präsident Nico Kleofas trat allerdings erst Ende Mai zurück und machte den Weg für einen Neuanfang frei. „Der Plan ist, Regionalliga zu spielen. Aber rein im Amateurbereich“, hatte der neue Präsident Torsten Klaus nach seiner Wahl gesagt.

Doch daraus wird nichts. Am Donnerstag musste schließlich auch der Stammverein nach einem Kassensturz seine Zahlungsunfähigkeit am Amtsgericht anzeigen. Der Schritt ging mit dem sofortigen Rückzug aus der Regionalliga einher. Zudem belasten den Club aus dem Südharz, bei dem einst Maurizio Gaudino als Sportdirektor anheuerte, Betrugsvorwürfe gegen Ex-Boss Kleofas. Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt ermitteln.

Der Neustart soll in der Oberliga erfolgen. Inwieweit das möglich ist, soll in den kommenden Tagen geklärt werden. Dort würde der Provinzclub Wacker auf eines der einstigen Aushängeschilder Thüringens treffen.

FC Rot-Weiß Erfurt zerfleischt sich selbst

Der FC Rot-Weiß Erfurt will sich nach der Pleite aus der fünften Liga zurück nach oben kämpfen. „Mir blutet das Herz. Ich kann das natürlich nur aus der Ferne bewerten, aber letztlich hat man es verpennt, sich mit dem Schritt in die Insolvenz neu aufzustellen. Wenn man überhaupt irgendwo mal wieder sein will, sollte man anfangen, eine Struktur zu entwickeln“, hatte der einstige RWE-Profi Engelhardt nach dem Rückzug aus der Regionalliga Ende Januar gesagt.

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Doch die Hoffnung auf ruhige Zeiten ist gering. Denn momentan ist der Verein damit beschäftigt, sich intensiv selbst zu zerfleischen. Kürzlich trat der Aufsichtsrat zurück. „Alles, was ich mit diesem Verein verbunden habe, ist tot“, sagte Ex-Aufsichtsrat Tobias Hagemann und legte gegen Insolvenzverwalter Volker Reinhardt nach: „Am Ende war der Insolvenzverwalter der maßgebliche Totengräber des Vereins. Ein völlig überzogenes Ego machte es ihm unmöglich, andere Ideen und Konzepte oder realistische Einschätzungen an sich heranzulassen.“

Das neue Stadion - aufgrund von nur drei neuen Tribünen bisweilen als Dreiseitenhof verspottet - werden die RWE-Spieler künftig nur von außen sehen. Die Oberliga-Spiele gegen Teams wie den FSV Martinsroda oder SV Blau-Weiß Zorbau werden auf einem besseren Sportplatz ausgetragen.

FC Carl Zeiss Jena selbstverschuldet in die Regionalliga

Beim Erzrivalen aus Jena stimmt dank eines belgischen Investors immerhin die Kasse. Und der Spatenstich für ein komplett neues Stadion erfolgt in den kommenden Monaten. Das war es aber auch schon mit den guten Nachrichten. Denn nach zwei Jahren in der 3. Liga geht es zurück in die Viertklassigkeit - selbstverschuldet. Der FCC stellte den Kader falsch zusammen, hielt trotz eines historischen Negativlaufs von elf Niederlagen aus den ersten 13 Spielen viel zu lange am Trainer fest. Der Etat soll erheblich gekürzt werden.

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Entsprechend demütig startet man künftig in die Regionalliga-Nordost. „Die Vergangenheit hat gezeigt, wie lang der Weg zurück in die 3. Liga sein kann“, sagte der neue Sportdirektor Tobias Werner. „Die Favoritenrolle wird woanders liegen.“

Neben Jena gibt es übrigens noch einen zweiten Thüringer Verein in der Regionalliga. Der liefert seit Jahren das, was sich Fans von einem Club wünschen: Sportliche Konstanz und solides Wirtschaften. Nur der Name klingt eben nach Provinz und damit nach dem, wo der Thüringer Fußball mittlerweile angekommen ist: Zipsendorfer FC Meuselwitz.