Jena. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler kritisiert die undurchsichtige und ungleiche Verteilung der Olympiaeinnahmen durch das IOC.

48 Stunden in der Woche arbeiten und mitunter gar nichts dafür bekommen: Offenbar gibt es in Deutschland doch noch keinen flächendeckenden Mindestlohn. Betroffen ist eine Berufsgruppe, die viele gar nicht als solche wahrnehmen – die Sportler. Das aktuelle Fördersystem des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) für angehende und aktuelle Olympioniken ist Thomas Röhler schon länger ein Dorn im Auge. Schon im August des vergangenen Jahres kritisierte der Speerwurf-Olympiasieger aus Jena, dass bei Olympischen Spielen Milliarden erwirtschaftet werden, bei den Athleten davon aber kaum etwas ankommt. Direkt sogar gar nichts. „Ich kann mir von dieser Förderung nichts kaufen – nicht einmal ein Brötchen. Und die Miete kann ich auch nicht bezahlen“, sagt Röhler.

Das Vergabesystem des IOC ist überaus undurchsichtig, was dessen deutscher Präsident Thomas Bach gegenüber dem Tagesspiegel sogar selbst einräumte. Knapp fünf Milliarden Dollar hatte das IOC in der zurückliegenden Olympiade, dem Zeitraum zwischen zwei Spielen, erwirtschaftet. Tendenz wegen stetig wachsender TV-Einnahmen kontinuierlich steigend. 90 Prozent davon schüttet das IOC an die Nationalen Olympischen Komitees der einzelnen Länder sowie deren Sportverbände nach einem Solidaritätsprinzip aus. Doch was kommt unmittelbar beim teilnehmenden Athleten an? „Gar nichts“, sagt Röhler.

Förderung in der Regel ein normales Auszubildenden-Gehalt

Zwar werden mit den Geldern zum Beispiel auch Sportstätten oder Trainingslager finanziert, „wofür wir Sportler sehr dankbar sind“, aber ein regelmäßiges Auskommen ermöglicht es den Aktiven nicht. Keine Altersvorsorge, keine Miete, kein Geld für etwas zum Essen. Die Nationalkader, insofern sie nicht bei Polizei, Zoll oder Bundeswehr angestellt sind, müssen also andere Kanäle anzapfen.

Als Einziger bleibt für viele die Deutsche Sporthilfe. Die hat nach eigenen Angaben 2018 ganze 18 Millionen Euro für Athleten ausgegeben. In einem Teil davon, die Rede ist von 38 Prozent, seien auch Olympia-Gelder enthalten.

Klingt auf den ersten Blick viel, mit Blick auf den einzelnen Sportler relativiert sich die Sache. Die Süddeutsche Zeitung berichtet von monatlichen Förderungen zwischen 300 und 600 Euro von der Sporthilfe, andere Quellen sprechen von um die 1200 Euro. Thomas Röhler sagt: „Im Schnitt dürfte es ein normales Auszubildenden-Gehalt sein – aber nur, wenn du gut bist im internationalen Bereich.“ Mit anderen Worten: Gemessen am Aufwand erhalten viele Sportler nicht einmal den Mindestlohn. „Bei Rang acht bei deutschen Meisterschaften bleibt Sport dein Hobby. Selbst, wenn du ins Finale der U23-WM kommst, ist das dein Hobby und du zahlst definitiv drauf“, meint der 28-Jährige. In einigen Mannschaftssportarten, insbesondere beim Fußball, sieht die Sache freilich anders aus, räumt er ein.

Seine Kritik im August sei derweil auf Athletenseite auf fruchtbaren Boden getroffen. Besonders die Vereinigung „Athleten Deutschland“, eine Art Gewerkschaft der Olympischen Sportler, wie Röhler sagt, bläst ins gleiche Horn. 25 Prozent der IOC-Einnahmen, fordert die Vereinigung, sollen direkt beim Sportler ankommen. Ein Gedanke, mit dem sich Thomas Röhler gut anfreunden könnte. Für seinen Olympiasieg in Rio de Janeiro 2016 bekam er vom IOC – nichts. „Nur die Medaille. Begründung: Man macht es für Ruhm und Ehre. Das stimmt. Aber davon kann ich mir kein Brötchen kaufen.“

Auch andere Vermarktungskanäle wie die überaus lukrativen Bildrechte bleiben den Sportlern verschlossen. Röhlers Goldwurf von Rio wurde beispielsweise über 1,6 Millionen Mal beim Videoportal Youtube angeklickt. „Mittlerweile weiß jedes Kind, dass diese Klicks einen Wert darstellen, der aber nie ausgeglichen wird“, ärgert sich der Jenenser. Im Internet ist von Werbeeinnahmen zwischen ein und zwei Euro je 1000 Klicks zu lesen. Klingt auf den ersten Blick nicht so viel, wäre für viele Athleten aber ein schöner Nebenverdienst, der sich im Laufe der Karriere summieren würde.

Sportler dürfen bei Olympianicht werben

Hinzu kommt, dass Regel 40 der Olympischen Charta die eigenen Werbemöglichkeiten der Sportler bei Olympischen Spielen stark einschränkt. Und Sponsorenverträge sind für viele die eigentliche Einnahmequelle. „Ich bin, toi, toi, toi, einer der Leichtathleten in Deutschland, die von ihrem Sport leben können. Einerseits leistungsgeschuldet, andererseits musst du dich ein stückweit gut verkaufen können.“ Der Athlet als Einzelunternehmer sei gefragt. Talenten kann Röhler deswegen heute nur raten: „Über klassische Medien oder soziale Netzwerke Reichweite aufbauen, um in Kontakt mit Sponsoren zu kommen.“

Letztlich geht es dem Jenaer um Folgendes: „Wir werden es nie schaffen, die Lücke zum Mannschaftssport oder gar zum Fußball zu schließen. Darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, dass wir von den deutlich über 48 Stunden in der Woche, in denen wir unseren Sport betreiben, leben können. Zumindest dann, wenn wir regelmäßig unser Land vertreten.“