Erfurt. Landestrainerin Cathrin Kreibich im Gespräch über das Thüringer Schwimmen, die jungen Hoffnungsträger und das, was sie nach 20 Jahren im Beruf mitnimmt.

Nach den deutschen Jahrgangsmeisterschaften von Berlin steht für die Schwimmer mit den Thüringer Meisterschaften in Erfurt am Wochenende der letzte Saisonhöhepunkt an. Das wird er auch für Cathrin Kreibich. Die gebürtige Berlinerin, die in Posterstein im Altenburger Land lebt, hört im Juli als Landestrainerin auf. Wir sprachen mit ihr über das Erbe, das sie dem Erfurter Schwimmen hinterlässt.

Cathrin Kreibich (51) war seit 1999 Landestrainerin. Im Juli hört sie auf. Foto: Jens Lohse
Cathrin Kreibich (51) war seit 1999 Landestrainerin. Im Juli hört sie auf. Foto: Jens Lohse © Jens Lohse

Warum machen Sie Schluss?

Das sind rein persönliche Gründe, die nach zwei Jahrzehnten täglichen Pendelns auch aus der Einsicht erwachsen, dass Jegliches im Leben nicht nur seine Zeit hat, sondern diese Zeit auch endlich ist. Mein Lebensmittelpunkt wird künftig in Ostthüringen und Sachsen liegen.

Auch als Schwimmtrainer?

Nein, ich werde Lehrer.

In Berlin fischten Ihre Sportler noch einmal viel Edelmetall. Ein schönes Abschiedspräsent?

18 Medaillen sind überdurchschnittlich und über unseren Erwartungen liegend. Fünf haben wir gleich am ersten Tag geholt. Da war schon klar: alle sind in Top-Form. Dann wird so eine Meisterschaft zum Selbstläufer.

Allen voran Franz Ahnert!

Ja, acht Medaillen, davon drei goldene, sind stark. Über 200 Meter Schmetterling ist er noch deutschen Altersklassenrekord geschwommen. Das heißt, so schnell war in Deutschland in dem Alter noch keiner. Das hatten wir schon lange nicht mehr.

Im vergangenen Jahr gab es den Goldfisch Josif Miladinow. Was ist aus ihm geworden?

Er lebt und trainiert in der Schweiz und startet international für sein Heimatland Bulgarien. Schade, so ein Talent kriegst du nur einmal. Er war natürlich nicht ohne Ecken und Kanten, hatte auch schulische Probleme. Dass er weggeht, zeichnete sich damals ja schon ab. Aber er war nicht umsonst hier. Er hat alle mitgerissen, indem er gezeigt hat, dass man auch in Erfurt schnell schwimmen kann.

Kann Franz Ahnert diese Lücke schließen?

Franz ist ja erst 13, ein richtiges Erfurter Eigengewächs. Er hat hier das Schwimmen gelernt, ist in der 5. Klasse zu uns gekommen und trainiert jetzt bei Sven Heyse. In welche Richtung es mal geht, wird man sehen. Franz ist relativ klein, also eher einer für die langen Strecken. Schmetterling, Lagen, Brust, er kann alles. Gut wäre, wenn die Trainingsgruppe lange zusammenbleiben würde. Die Jungs treiben sich gegenseitig so richtig an.

Also alles gut in Erfurt?

In der Tat ist die Tendenz so, dass wir in den letzten drei Jahren immer zugelegt haben – bis zur jetzigen Bilanz von Berlin mit dem erwähnten deutschen Altersklassenrekord, weiteren 18Thüringer Altersklassenrekorden und einem Thüringer Landesrekord. Und das vor dem Hintergrund, dass wir im Laufe der Zeit weniger Trainer geworden sind, weniger Sportler und der Kampf um die Wasserzeiten nicht einfacher wird. Trotzdem lief die Entwicklung optimal. Das hat auch mir richtig Spaß gemacht.

Ist mal wieder ein Thüringer Olympiasieger in Sicht?

In Deutschland gibt es fünf Bundesstützpunkte, da müssen die Besten hin, um ihren Weg zu gehen. Aber es ist nicht so, dass sie dort auf Talente warten. Die picken sich schon die raus, die sie haben wollen. Bei den Sportlern fehlt bisweilen selbst etwas Motivation. Wer zu Hause trainiert, kennt die Lehrer, kennt die Trainer, kennt die ganzen Verhältnisse. Der Wunsch wegzugehen, ist oftmals gar nicht da.

Dann versandet die Karriere?

Wenn die Sportler vom Sportgymnasium zur Uni wechseln, wird es oft problematisch. Aus einem Umfeld, in dem alles für sie organisiert ist, kommen sie in die Eigenverantwortung. Manche stellen sich die Frage: Warum soll ich das noch machen? Ich habe einen Fall erlebt, dass ein Schwimmer auf der Uni null Rücksicht erfahren hat, er nicht bei Meisterschaften starten konnte. Das frustriert. Dann brechen viele ab. Finanzielle Vorteile haben sie ohnehin nicht.

Fehlen vielleicht auch die großen Namen als Vorbild?

Ein Vergleich: Der Wintersport ist dank der Sportfördergruppen von Bundeswehr und Bundespolizei gut aufgestellt. In Oberhof stecken sie alle, die Aktiven und die Ehemaligen, in diesen Strukturen. Der Nachwuchs, dem das vorgelebt wird, sieht früh: das ist mein Weg. Im Schwimmen war es vor Jahren auch mal relativ einfach, in die Fördergruppe der Bundeswehr in Warendorf zu kommen. Aber viele wollten diesen Berufsweg nicht. Die im Moment erfolgreichsten Schwimmer in Deutschland studieren und versuchen Sport und Studium in Einklang zu bringen.

Wie steht es um die Jüngsten?

Manchmal kommen erfreulich viele, manchmal nur eine Handvoll. Da schließt sich aber gleich das Problem an, dass die Erfurter Vereine nicht genügend Wasserzeiten haben, um die Nachfrage zu bedienen. Viele müssen weggeschickt werden, weil die Gruppen voll sind. Die Wasserfläche ist aber nur das eine . . .

Und das andere?

Man braucht Vereine und genügend Übungsleiter. Und alles muss ehrenamtlich funktionieren. Es geht gar nicht unbedingt um Leistungssport, sondern darum, dass die Kinder ein sinnvolles Hobby haben. Schwimmen ist ja eine sehr präventive Sportart. Die 1. Klasse ist das beste Alter, um mit dem Training zu beginnen. Mit fünf, sechs lernen die Kinder schnell.

Trotzdem können immer weniger Kinder schwimmen.

Ja, die Tendenz ist leider so. Viele Grundschüler können nicht schwimmen. Auch unter den Erwachsenen gibt es immer mehr Nichtschwimmer und in der Folge immer mehr Ertrinkungstote.

Was sind die Ursachen?

Es fehlen die Lehrer. Vor allem im ländlichen Raum wird der kontinuierliche Schwimmunterricht zum Problem.

Im Februar wurde der Fall des Dopingarztes Mark Schmidt publik, der auch die Landeskaderuntersuchungen am Sportgymnasium durchführte. Der Schwimmverband hat mit den Eltern der Sportler gesprochen. Wie waren die Reaktionen?

Grundtenor der Eltern war, vielleicht für manche überraschend, dass sie mit der Betreuung durch Mark Schmidt zufrieden waren und immer das Gefühl hatten, er arbeite korrekt. Wenn es etwas zu verschreiben gab, habe er stets nachgeschaut, ob das Medikament auf der Nada-Liste steht. Da standen keine Vorwürfe im Raum. Seine Arbeit hier und die ans Licht gekommenen Machenschaften dort scheinen wie zwei Leben gewesen zu sein, die er voneinander getrennt hat. Auch für mich war das unvorstellbar, als das rauskam. Denn dem Mark Schmidt, den ich kannte, hatte ich das nicht zugetraut.

Haben sie später noch mal mit den Sportlern darüber geredet?

Ja. Wir Trainer haben sie auch noch einmal auf ihre Pflichten hingewiesen. Wenn sie zum Arzt gehen, dort zu sagen, dass sie Leistungssportler sind. Na ja, und dann klopfte die Nada, die Nationale Anti-Doping-Agentur, gleich eine Woche später bei drei Sportlern an die Tür. Franz Ahnert haben sie an seinem 13. Geburtstag zur Kontrolle gebeten, nur weil er Bundeskader ist. In dem Alter ist das fragwürdig.

Was werden Sie nach 20 Jahren im Job vermissen?

Die direkte Arbeit am Beckenrand mit den Sportlern. Ich war mit Leib und Seele Trainer. Und meine Kollegen werde ich vermissen. Denn solche findet man nicht überall. Wir konnten uns immer aufeinander verlassen. Immer in die Augen schauen, auch wenn die Meinungen mal verschieden waren. Neid und Missgunst habe ich hier nie erlebt.