Bad Blankenburg. Viele DDR-Doping-Opfer schweigen bis heute aus Scham. In Thüringen werden derzeit 20 Betroffene betreut. Ein neues Ärztenetzwerk soll helfen.

„Verschiedene muskuläre Probleme, orthopädische Schäden, Sehnenrisse, allergische Reaktionen, das Verschieben der eigentlichen Schmerzgrenze bis heute – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen“, sagt Sigurd Hanke. Als der ehemalige Leistungssportler, in den 80er Jahren international erfolgreicher Schwimmer aus Erfurt, erzählt, wie es ihm heute geht, wird den Zuhörern schnell bewusst, wie gravierend die Folgen der Dopingpraxis in der DDR waren. „Aber das eigentliche Problem“, sagt Hanke, „ist das Psychologische.“

Der heutige Mediziner, der in Sachsen praktiziert, gehörte am Samstag zu den Referenten eines Symposiums von Landessportbund und Staatskanzlei in der Landessportschule, bei dem es um „Doping und seine Folgen: Einsatz leistungssteigernder Mittel im Leistungssport der ehemaligen DDR und dessen Auswirkungen auf Betroffene heute“ ging. Dabei wurde schnell deutlich, dass auf diesem Gebiet noch viel Aufarbeitung notwendig ist.

„Momentan geht es für uns als LSB vorrangig darum, zu beraten und zu betreuen“, sagt Hauptgeschäftsführer Thomas Zirkel. Seit einiger Zeit gebe es mit Anke Schiller-Mönch eine Ansprechpartnerin für Doping-Opfer und Betroffene im LSB, die am Samstag von insgesamt 20 Thüringer Dopingopfern berichtet, die diese Betreuung in Anspruch nehmen. Doch die Dunkelziffer dürfte viel höher sein. „Es gibt für viele immer noch die Scheu, sich beraten zu lassen“, sagt Zirkel. Dabei betont Schiller-Mönch, dass man den Wunsch, dass diese Fälle nicht in der Öffentlichkeit besprochen werden, selbstverständlich respektiere.

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„Ich weiß vielfach bis heute nicht, was ich bei den Spritzen und Infusionen bekommen habe“, sagt Hanke, der sich damals „ausgesprochen unbedarft und risikobereit“ gab: „Wir haben die Dramatik oft heruntergespielt.“ Kein Wunder: Über die möglichen Folgen informierte den damals knapp 20-Jährigen niemand. Andererseits: Wenn er die Substanzen nicht genommen hätte, wäre es auch mit dem Leistungssport und den damals damit verbundenen Annehmlichkeiten vorbei.

Heute engagiert sich der Mediziner in einem 2018 gegründeten Ärztenetzwerk, in dem derzeit 19 Ärzte – vom Orthopäden über den Allgemeinmediziner, Internisten, Anästhesisten bis hin zum Neurologen – vornehmlich aus den neuen Bundesländern aktiv sind: „Das Netzwerk soll Anlaufstelle für Betroffene sein“, sagt Anke Schiller-Mönch, die bereits die ersten ehemaligen Leistungssportler vermittelte. Denn die LSB-Funktionärin hat auch beobachtet, dass heute nicht immer jeder Arzt einen Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Problemen mit den damaligen Dopingpraktiken sieht.

LSB-Geschäftsführer Thomas Zirkel geht davon aus, dass die Aufarbeitung dieses Themas noch lange dauern wird. Eine Aufbereitung von Unterlagen aus den ehemaligen Leistungszentren sei noch lange nicht abgeschlossen: „Eine inhaltliche Sichtung vieler Akten steht da noch aus.“ Und so liegt nach Einschätzung von Zirkel jetzt zunächst die Priorität auf einer individuellen Betreuung der Opfer und Betroffenen.

„Im Nachhinein“, sagt Sigurd Hanke, „muss ich mir eingestehen, dass ich damals alles komplett unterschätzt habe.“ Natürlich sei ein Olympiasieg toll, „die Schäden kommen aber dann 20 Jahre später. Und da bin ich bis heute noch gut dabei weggekommen.“